26.06.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Kennzeichnungskraft infolge Verkehrsgeltung für Farben

Es ist nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellbar, dass eine Farbe als solche unabhängig von ihrer Benutzung unterscheidungskräftig ist, etwa bei einem sehr spezifischen maßgeblichen Markt und einer sehr beschränkten Zahl der Waren oder Dienstleistungen


Schlagworte: Markenschutzrecht, Farben, Unterscheidungskraft, Verkehrsgeltung
Gesetze:

§ 4 MSchG

GZ 17 Ob 2/08f, 11.03.2008

OGH: Da Farben und Farbverbindungen zu den wichtigsten und gebräuchlichsten Werbemitteln gehören, nimmt die Rechtsprechung dafür ein bedeutendes Freihaltebedürfnis des Geschäftsverkehrs an. Dies gilt für den selbständigen Ausstattungsschutz ebenso wie für den Markenschutz. Freihaltebedürfnis, Kennzeichnungskraft und Verkehrsgeltung stehen bei der Beurteilung in einer Wechselbeziehung: Je größer das Freihaltebedürfnis und je geringer die Kennzeichnungskraft, desto höher muss die Verkehrsgeltung sein, um einen Schutz zu rechtfertigen.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist die Zahl der Farben, die das allgemeine Publikum unterscheiden kann, niedrig, da sich ihm selten die Gelegenheit zum unmittelbaren Vergleich von Waren mit unterschiedlichen Farbtönen bietet. Die geringe Zahl der für das Publikum unterscheidbaren Farben führt zu einer Verringerung der tatsächlich verfügbaren Farben mit der Folge, dass mit wenigen Eintragungen als Marken für bestimmte Dienstleistungen oder Waren der ganze Bestand an verfügbaren Farben erschöpft werden könnte. Ein derartiges Monopol wäre mit dem System eines unverfälschten Wettbewerbs unvereinbar. Daher ist nur unter außergewöhnlichen Umständen vorstellbar, dass eine Farbe als solche unabhängig von ihrer Benutzung unterscheidungskräftig ist, etwa bei einem sehr spezifischen maßgeblichen Markt und einer sehr beschränkten Zahl der Waren oder Dienstleistungen. Die Verfügbarkeit der Farbe soll für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die Waren oder Dienstleistungen der von der Anmeldung erfassten Art anbieten, nicht ungerechtfertigt beschränkt werden.

In seiner bisherigen Rechtsprechung zum Ausstattungsschutz hat der OGH eine Verkehrsdurchsetzung der Farben Blau-Weiß für Tankstellen einer bestimmten Benzinmarke bei einem Zuordnungsgrad von 85 % aller PKW-Besitzer in Österreich angenommen und die Verkehrsgeltung eines roten Sonderfarbtons für juristische Fachwerke bei einem Zuordnungsgrad von mehr als 90 % bejaht. Für die Farbe Blau mit einem den Farben Blau-Weiß und Rot vergleichbar großem Freihaltebedürfnis bei gleichfalls geringer Kennzeichnungskraft war ein Zuordnungsgrad von 65 % der angesprochenen Verkehrskreise zu einem bestimmten Unternehmen und dessen Produkten iZm Wasserrohren nicht ausreichend, um eine Verkehrsgeltung zu Gunsten der dortigen Klägerin zu begründen.