26.06.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Unentgeltliche Zugaben eines marktbeherrschenden Unternehmens

Gem § 9a UWG an sich nicht verbotene unentgeltliche Zugaben durch einen marktbeherrschenden Unternehmer sind vor dem Hintergrund des Missbrauchsverbots nach § 5 Abs 1 Z 5 KartG dann rechtswidrig, wenn a) der vom Unternehmer beherrschte Markt für die Hauptware mit dem für die Zugabe relevanten Markt so eng verbunden ist, dass Kunden, die Bedarfsträger des einen Markts sind, notwendigerweise potenzielle Kunden auf dem anderen Markt sein können, und b) der Preis für die Hauptware nach Abzug des Werts der unentgeltlichen Zugabe unter dem Einstandspreis liegt


Schlagworte: Kartellrecht, marktbeherrschenden Unternehmen, Missbrauchsverbot, Verkauf unter Einstandspreis, unentgeltliche Zugaben, Hauptware
Gesetze:

§ 5 KartG, § 9a UWG

GZ 4 Ob 23/08y, 08.04.2008

Die Klägerin macht geltend, die wirtschaftliche Betrachtungsweise des § 20 KartG bewirke nicht, dass kartellrechtlich unzulässige Sachverhalte dadurch zulässig gemacht werden könnten, dass unter dem Einstandspreis abgegebene Waren mit "unverdächtig" erzeugten Waren gekoppelt würden. Vertreibe ein marktbeherrschendes Unternehmen - gekoppelt mit den eigentlich vertriebenen Waren - auch "artfremde" Waren unter deren Einstandspreis, die einem nicht beherrschten Markt zugehörten, könne diese leistungsfremde Vertriebsmethode zu einer Verfestigung der Vorrangstellung auf dem beherrschten Markt führen. Die lauterkeitsrechtliche Unbedenklichkeit des beanstandeten Verhaltens sei nicht automatisch ein kartellrechtlicher Rechtfertigungsgrund; Marktbeherrscher unterlägen strengeren Regeln als sonstige Marktteilnehmer. Nach dem Zweck des § 5 Abs 1 Z 5 KartG, nachteilige Einflussnahmen auf den ohnehin bereits geschwächten Wettbewerb hintanzuhalten, müsse es einem marktbeherrschenden Unternehmen auch untersagt sein, Waren gänzlich unentgeltlich abzugeben.

OGH: Sowohl marktmissbräuchliches als auch lauterkeitswidriges Verhalten ist am selben Maßstab, nämlich jenem des sachgerechten Leistungswettbewerbs, zu beurteilen. Soweit daher das Kartellrecht einem marktbeherrschenden Unternehmer nicht besondere Verhaltenspflichten auferlegt, steht diesem - um Wertungswidersprüche zu vermeiden - derselbe Verhaltensspielraum offen wie den übrigen Marktteilnehmern.

Gem § 9a UWG an sich nicht verbotene unentgeltliche Zugaben durch einen marktbeherrschenden Unternehmer sind vor dem Hintergrund des Missbrauchsverbots nach § 5 Abs 1 Z 5 KartG dann rechtswidrig, wenn a) der vom Unternehmer beherrschte Markt für die Hauptware mit dem für die Zugabe relevanten Markt so eng verbunden ist, dass Kunden, die Bedarfsträger des einen Markts sind, notwendigerweise potenzielle Kunden auf dem anderen Markt sein können, und b) der Preis für die Hauptware nach Abzug des Werts der unentgeltlichen Zugabe unter dem Einstandspreis liegt.