26.06.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Irreführende Geschäftspraktiken iSv § 2 UWG

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, irreführende Geschäftspraktiken
Gesetze:

§ 2 UWG

GZ 4 Ob 42/08t, 08.04.2008

OGH: Anders als früher enthält die geltende Fassung von § 2 UWG keine Rechtsfolgenanordnung. Das Vorliegen einer irreführenden Geschäftspraktik iSv § 2 UWG (allenfalls iZm dem Anhang zum UWG) begründet somit - nach dem Wortlaut des Gesetzes - für sich allein noch keinen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch. Grundlage für einen solchen Anspruch kann daher nach der Systematik des Gesetzes nur § 1 Abs 1 UWG sein. Nimmt man diese Bestimmung beim Wort, so müsste eine irreführende - und damit nach § 1 Abs 3 UWG unlautere - Geschäftspraktik zudem geeignet sein, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG) oder das wirtschaftliche Verhalten eines Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG). Im zweitgenannten Fall müsste darüber hinaus noch ein Verstoß gegen die "berufliche Sorgfalt" vorliegen.

Die neue Fassung des UWG ist der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) konform auszulegen. Das bedeutet zunächst, dass der Relativsatz in § 1 Abs 1 Z 2 UWG iSv Art 5 Abs 2 RL-UGP als eine Definition des Begriffs der unlauteren Geschäftspraktik zu verstehen ist. Weiters ist anzunehmen, dass § 2 UWG die Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 2 UWG für den Fall irreführender Geschäftspraktiken konkretisiert. Ist der Tatbestand des § 2 UWG erfüllt, so wird zumindest im Regelfall eine Verletzung der beruflichen Sorgfalt und eine wesentliche Beeinflussung eines Durchschnittsverbrauchers iSv § 1 Abs 1 Z 2 UWG vorliegen. Umso mehr muss das bei einer im Anhang zum UWG ausdrücklich missbilligten Geschäftspraktik gelten. Ob im Einzelfall das Fehlen einer wesentlichen Beeinflussung von Verbrauchern und/oder einer Verletzung der beruflichen Sorgfalt eingewendet werden könnte, ist hier nicht zu entscheiden.

Die Unlauterkeit einer Geschäftspraktik ist in folgender Reihenfolge zu prüfen: Fällt die Praktik unter die "Liste" des Anhangs? Wenn nein: Liegt sonst eine aggressive (§ 1a UWG) oder irreführende (§ 2 UWG) Geschäftspraktik vor? Wenn nein: Fällt sie unter die Generalklausel des § 1 Abs 1 UWG?

Diese Prüfungsreihenfolge setzt voraus, dass eine unlautere und damit unzulässige Geschäftspraktik zumindest im Regelfall schon dann vorliegt, wenn einer der Tatbestände der §§ 1a und 2 UWG oder des Anhangs zum UWG erfüllt ist. Auf die weiteren Bedingungen der Generalklausel ist daher - anders als es der Gesetzeswortlaut nahe legt - gewöhnlich erst dann zurückzugreifen, wenn keine irreführende oder aggressive Geschäftspraktik vorliegt.

Unrichtige Angaben über die Herstellung eines Produkts werden im Anhang zum UWG nicht als ausdrücklich missbilligte Geschäftspraktik genannt. Sie können jedoch eine zur Irreführung geeignete Angabe über den Ursprung der Ware iSv § 2 Abs 1 UWG idF vor der Novelle 2002 bzw über die wesentlichen Merkmale des Produkts iSv § 2 Abs 1 Z 2 UWG idgF sein. Letzteres ergibt sich insbesondere aus einer richtlinienkonformen Auslegung dieser Bestimmung.

Sowohl nach der Rechtslage vor als auch nach der UWG-Novelle 2007 ist beim Irreführungstatbestand zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.