03.07.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis und Streitschlichtung gem § 8 Abs 1 VerG

Auch in Streitigkeiten, in denen ein früheres Mitglied den Verein auf Rückersatz von vermögenswerten Leistungen, die in Zeiten der Vereinsmitgliedschaft erbracht wurden, in Anspruch nimmt, ist die vereinsinterne Schlichtungseinrichtung vor einer Anrufung des ordentlichen Gerichts zu befassen


Schlagworte: Vereinsrecht, Streitschlichtung, Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis
Gesetze:

§ 8 Abs 1 VerG

GZ 7 Ob 52/08k, 09.04.2008

Der Kläger war Mitglied des Beklagten und wurde von diesem am 5. 3. 2005 ausgeschlossen. Er begehrte für diverse, als Mitglied des Beklagten erbrachte Leistungen und Investitionen als restlichen Teil seines "Auseinandersetzungsguthabens" 5.225,84 EUR sowie die Herausgabe des Plexiglasaufbaus eines VW-Busses. Da er nicht mehr Mitglied des Beklagten sei, sei das in den Statuten vorgesehene Streitschlichtungsverfahren nicht anzuwenden.

Unter Hinweis auf die Klausel, die eine Schlichtungseinrichtung nach § 8 Abs 1 VerG vorsieht, erhob der Beklagte die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs.

OGH: Die in § 8 Abs 1 VerG normierte Pflicht jedes Vereins, eine entsprechende Schlichtungseinrichtung zu schaffen und seine Mitglieder zu verpflichten, im Fall einer Rechtsstreitigkeit aus dem Vereinsverhältnis diese Schlichtungseinrichtung anzurufen, ehe vor dem ordentlichen Gericht geklagt werden kann, folgt einerseits aus dem Anliegen des Gesetzgebers, die ordentlichen Gerichte nach Möglichkeit von Prozessen in Vereinssachen zu befreien. Andererseits erscheint es - wie die Gesetzesmaterialien betonen - sinnvoll, vor Anrufung des Gerichts eine derartige Schlichtung anzustreben, weil man sich auf diese Weise vorerst die Auseinandersetzung mit der mitunter schwierigen Frage, ob eine bloße Vereinsstreitigkeit oder eine Rechtsstreitigkeit aus dem Vereinsverhältnis vorliegt, erspart. Außerdem stellen in vielen Vereinen die Vereinsverhältnisse Sonderbeziehungen dar, die es angebracht erscheinen lassen, die Vereinsmitglieder vor der Anrufung eines Gerichts zu einer außergerichtlichen Streitbeilegung anzuhalten. Dadurch, dass - falls es zu keiner Beendigung des Schlichtungsverfahrens innerhalb einer Frist von sechs Monaten kommt - das ordentliche Gericht angerufen werden kann, soll eine unerwünschte Verzögerung des effektiven Rechtsschutzes vermieden werden. Die Schlichtungseinrichtung nach § 8 Abs 1 VerG ist kein Schiedsgericht nach den §§ 577 ff ZPO, kann aber als solches eingerichtet sein.

Einer Klage, die in einer Streitigkeit aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG vor dem Verstreichen von 6 Monaten seit Anrufung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung eingebracht wird, steht nicht die Einrede der mangelnden materiellen Klagbarkeit, sondern das gem § 42 Abs 1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen, es sei denn, das Schlichtungsverfahren endete bereits vor der Klagseinbringung.

Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis nach § 8 Abs 1 VerG sind solche, die ihre Wurzeln in einer Vereinsmitgliedschaft haben; dazu gehören Auseinandersetzungen zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern über Ansprüche des Vereins auf Zahlung der Mitgliedsbeiträge und auf Erbringung anderer - mit der Mitgliedschaft verknüpfter - vermögenswerter Leistungen für den Zeitraum der Vereinsmitgliedschaft, gleichviel, ob das Mitgliedsverhältnis bei Entstehen des Streitfalls noch besteht oder bereits beendet worden ist. Es liegt auf der Hand, dass auch in Streitigkeiten, in denen ein früheres Mitglied den Verein auf Rückersatz von vermögenswerten Leistungen, die in Zeiten der Vereinsmitgliedschaft erbracht wurden, in Anspruch nimmt, die vereinsinterne Schlichtungseinrichtung vor einer Anrufung des ordentlichen Gerichts zu befassen ist.