17.07.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Willensbildung in der GesbR

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, GesbR, Willensbildung, Vertragsänderung
Gesetze:

§ 1175 ABGB, § 1188 ABGB

GZ 4 Ob 229/07s, 20.05.2008

Die ursprünglich elf Kläger und die vier Beklagten waren im Jahr 2005 Gesellschafter einer GesbR, die eine Schischule betrieb. Sie streiten über die Wirksamkeit eines am 1. Juli 2005 gefassten Gesellschafterbeschlusses, mit dem der Gesellschaftsvertrag geändert wurde.

OGH: Nach § 1188 ABGB sind bei der "Beratschlagung und Entscheidung über die gesellschaftlichen Angelegenheiten" die Vorschriften über die Gemeinschaft des Eigentums (§§ 833 - 842 ABGB) anzuwenden. Damit kommt auch jene Rechtsprechung zum Tragen, wonach der Minderheit jedenfalls die Möglichkeit gegeben werden muss, zu beabsichtigten Beschlüssen der Mehrheit Stellung zu nehmen. Grund dafür ist die Möglichkeit, dass Argumente der Minderheit zu einem Meinungsumschwung bei (Teilen) der Mehrheit führen können.

Wie die Willensbildung in der GesbR konkret zu erfolgen hat, ist gesetzlich nicht geregelt. Vorrang hat jedenfalls die vertragliche Regelung dieser Frage.

War eine Gesetzes- oder Satzungsverletzung offensichtlich oder nachweisbar ohne Einfluss auf den Beschluss, ist der beklagten Gesellschaft nach der in der Rechtsprechung überwiegenden Kausalitätstheorie der Beweis der fehlenden Kausalität gestattet.

Das Recht der Kapitalgesellschaften ist von vornherein wesentlich formstrenger als jenes der GesbR. Dort ist die formale Seite der Willensbildung - anders als etwa in §§ 34 ff GmbHG oder in §§ 105 ff AktG - gesetzlich nicht näher geregelt; objektive Schranke des Gesellschafterhandelns ist daher nur jene Rechtsprechung, wonach der Minderheit Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden muss.

Stellt der Gesellschaftsvertrag Regelungen über die Willensbildung auf, so ist durch Auslegung zu ermitteln, welche Folgen eine konkrete Verletzung nach sich ziehen soll. Entscheidend ist der Zweck der jeweiligen Vorschrift. Dabei wird zwar in der Regel anzunehmen sein, dass die Einhaltung der vertraglichen Regelungen über die Einberufung einer Gesellschafterversammlung Voraussetzung für die Wirksamkeit der dort gefassten Beschlüsse sein soll. Die Behauptungs- und Beweislast für das Fehlen der abstrakten Eignung eines Mangels zur Beeinträchtigung der Willensbildung (Relevanztheorie) oder für dessen fehlende Auswirkung im konkreten Fall (Kausalitätstheorie) wird daher auch hier in der Regel denjenigen treffen, der sich auf die Gültigkeit des Beschlusses beruft. Allerdings kann sich im konkreten Fall aus ergänzender Vertragsauslegung auch etwas anderes ergeben.

Ein Gesellschaftsvertrag kann nach allgemeinen Grundsätzen nur durch Einigung aller Gesellschafter geändert werden; anderes gilt allerdings dann, wenn schon der Gesellschaftsvertrag eine Änderung durch Mehrheitsbeschluss vorsieht. Die Gestaltungsfreiheit der Mehrheit findet ihre inhaltlichen Grenzen nach neuerer Rechtsprechung - abgesehen von Fällen der Gesetz- und Sittenwidrigkeit - nur in gesellschaftsvertraglich begründeten Sonderrechten einzelner Gesellschafter, im Kernbereich der Mitgliedschaftsrechte, im Gleichbehandlungsgrundsatz, in der Treuepflicht und im Verbot einer willkürlichen, die Minderheit schädigenden Verfolgung von Eigeninteressen. Der früher angenommene "Bestimmtheitsgrundsatz", wonach Mehrheitsklauseln grundsätzlich eng auszulegen waren und im Zweifel "ungewöhnliche" Vertragsänderungen nicht erfassten, wurde für Mehrheitsklauseln, die sich ausdrücklich auf die Vertragsänderung beziehen, zugunsten einer inhaltlichen Kontrolle aufgegeben.

Zwar sind korporative Regelungen in Satzungen juristischer Personen und Stiftungen nach nunmehr stRsp nach ihrem Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen. Für (typische) Personengesellschaften hat der OGH jedoch bisher an der Maßgeblichkeit der allgemeinen Vertragsauslegungsregeln des § 914 ABGB festgehalten. Dieser grundsätzlich subjektiven Auslegung eines Gesellschaftsvertrags von Personengesellschaften wird in neuerer Zeit entgegengehalten, dass es auch hier nur auf jene Parteiabsicht ankommen könne, die den aktuellen Gesellschaftern gemeinsam sei. Grund für dieses Abgehen von der Maßgeblichkeit des tatsächlich Gewollten kann - abgesehen von der hier nicht relevanten Auswirkung auf außenstehende Dritte - letztlich nur der Schutz von Neugesellschaftern sein, die auf eine (andere) schriftlich festgelegte Gesellschaftsstruktur vertraut hatten.