07.08.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Nichtbenutzung einer Marke - Führt der Ablauf der Frist des § 33a MSchG zur Aufhebung einer einstweiligen Verfügung?

§ 399 Abs 1 Z 4 EO kann nicht als abschließende Regelung verstanden werden; das nachträgliche Erlöschen des Anspruchs ist eine Änderung der Verhältnisse, die das Sicherungsbedürfnis der gefährdeten Partei beseitigt; § 399 Abs 1 Z 2 EO ist daher neben § 399 Abs 1 Z 4 EO anwendbar


Schlagworte: Markenschutzrecht, Nichtbenutzung einer Marke, einstweilige Verfügung, Unterlassungsanspruch
Gesetze:

§ 33a MSchG, § 399 EO

GZ 17 Ob 11/08d, 20.05.2008

OGH: In der Entscheidung über den Sicherungsantrag (4 Ob 134/06v) hat der Senat ausgeführt, dass die allfällige Nichtbenutzung einer Marke vor Ablauf der Benutzungsschonfrist des § 33a MSchG keinen Einfluss auf Unterlassungsansprüche des Markeninhabers habe. Mit Ablauf der Frist sei das anders: Denn aus einer nach § 33a MSchG zu löschenden Marke könne kein Unterlassungsanspruch abgeleitet werden. Die Frage, ob der Löschungsgrund vorliege, sei als Vorfrage im Verletzungsstreit zu klären.

Der Ablauf der Benutzungsschonfrist führt daher für sich allein nicht zum Erlöschen des Unterlassungsanspruchs. Entscheidend ist vielmehr, ob der Markeninhaber (oder ein Dritter mit dessen Zustimmung) die Marke in den letzten fünf Jahren vor der einredeweisen Geltendmachung des Erlöschens ernsthaft benutzt hat. Nur wenn das nicht zutraf und die Marke daher zu löschen wäre, fiele auch der Unterlassungsanspruch weg. Der Ablauf der Benutzungsschonfrist bewirkt daher nicht unmittelbar das Erlöschen des zuvor bestehenden Anspruchs; er führt aber dazu, dass das Unterbleiben einer ernsthaften Benutzung rechtlich erheblich wird.

Hätte die Klägerin schon vor Ablauf der Benutzungsschonfrist ein Unterlassungsurteil erwirkt, könnte die Beklagte nach Ablauf der Frist das Erlöschen des Anspruchs mit Oppositionsklage geltend machen. Denn die nun mehr als fünfjährige Nichtbenutzung wäre zweifellos eine neue Tatsache iSv § 35 Abs 1 EO.

Vom Erlöschen des Anspruchs wegen mehr als fünfjähriger Nichtbenutzung zu trennen ist die Frage der Behauptungs- und Beweislast für die ernsthafte Benutzung. Diese trifft nach § 33a Abs 4 MSchG den Markeninhaber. Daher muss der Beklagte im Verletzungsprozess nach Ablauf der Benutzungsschonfrist das Erlöschen der Marke wegen nicht ernsthafter Benutzung nur behaupten; dem Kläger (Markeninhaber) obliegt dann die Behauptung und der Beweis, dass er oder mit seiner Zustimmung ein Dritter die Marke ernsthaft benutzt habe. Bei Fehlen entsprechender Behauptungen oder einem non liquet auf der Sachverhaltsebene ist vom Vorliegen des Löschungstatbestands und damit auch vom Erlöschen des Unterlassungsanspruchs auszugehen. Diese Behauptungs- und Beweislast würde auch in einem allfälligen Oppositionsprozess gelten. Denn dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass das aufrechte Bestehen eines Titels zur Verpflichtung des Beklagten führte, den (negativen) Beweis der Nichtbenutzung zu führen.

Damit ist aber auch die Fragestellung für das vorliegende Verfahren geklärt: Die einstweilige Verfügung wurde erlassen, als der Unterlassungsanspruch aus den bescheinigten Tatsachen abgeleitet werden konnte; auf die Nichtbenutzung kam es zu diesem Zeitpunkt nicht an, weil die Benutzungsschonfrist noch nicht abgelaufen war. Die Beklagte behauptet nun, dass der Unterlassungsanspruch nach diesem Zeitpunkt erloschen sei, weil nun Benutzungszwang bestehe und die Klägerin die Marke während der letzten fünf Jahre nicht ernsthaft benutzt habe. Daher ist zunächst zu prüfen, ob ein solches - nicht rechtskräftig festgestelltes - Erlöschen des Anspruchs einen der Aufhebungstatbestände des § 399 Abs 1 EO erfüllt.

Unstrittig ist, dass eine bloße Änderung der Beweislage (Bescheinigungslage) die Aufhebung nicht rechtfertigen kann. Mit diesem Einwand machte der Gegner der gefährdeten Partei in Wahrheit nur geltend, dass die einstweilige Verfügung schon zu Unrecht bewilligt worden sei; das kann nur mit Rekurs oder Widerspruch aufgegriffen werden. Im vorliegenden Verfahren behauptet die Beklagte allerdings nicht eine Änderung der Beweislage, sondern das (nachträgliche) Erlöschen des gesicherten Anspruchs. Ein solches Erlöschen ist jedenfalls dann ein Aufhebungsgrund nach § 399 Abs 1 Z 4 EO, wenn es rechtskräftig festgestellt ist. Der rechtskräftigen Feststellung sind solche Fälle gleichzuhalten, in denen aus einer rechtskräftigen Entscheidung in einem anderen Verfahren - hier allenfalls vor dem Patentamt - folgt, dass der zu sichernde Anspruch nicht mehr besteht. Eine solche Entscheidung liegt hier aber (noch) nicht vor.

Wenn die gefährdete Partei ihren Anspruch in einem vereinfachten Verfahren bescheinigen und damit einen vollstreckbaren Titel erlangen kann, erfordert es die Waffengleichheit der Parteien, dass auch ihr Gegner das nachträgliche Erlöschen des Anspruchs in einem vergleichbar einfachen (Bescheinigungs-)Verfahren geltend machen kann. § 399 Abs 1 Z 4 EO kann daher nicht als abschließende Regelung verstanden werden. Damit ist der Weg frei für die Anwendung von § 399 Abs 1 Z 2 EO. Denn das nachträgliche Erlöschen des Anspruchs ist zweifellos eine Änderung der Verhältnisse, die das Sicherungsbedürfnis der gefährdeten Partei beseitigt. Diese Regelung ist daher neben § 399 Abs 1 Z 4 EO anwendbar.

Der Gegner der gefährdeten Partei kann in seinem Aufhebungsantrag geltend machen, dass der bei Erlassung der einstweiligen Verfügung bestehende Anspruch durch eine nach diesem Zeitpunkt eingetretene Änderung der Sachverhaltsgrundlage (nicht bloß der Beweislage) materiell erloschen sei. Darüber ist - wie schon bei Erlassung der einstweiligen Verfügung - in einem Bescheinigungsverfahren zu entscheiden. Im vorliegenden Fall kann die Beklagte daher mit Aufhebungsantrag geltend machen, dass der gesicherte Unterlassungsanspruch erloschen sei, weil die Marke der Klägerin - anders als im Zeitpunkt der Erlassung der einstweiligen Verfügung - gelöscht werden könnte. In der nun mehr als fünfjährigen Nichtbenutzung läge ein neues Sachverhaltselement (novum productum), dass zum Erlöschen des Anspruchs führte. Der Aufhebungsgrund ist daher schlüssig behauptet. Die Behauptungs- und Beweislast im weiteren Verfahren ergibt sich aus § 33 Abs 5 und § 56 Satz 2 EO. Danach hat nun die Klägerin zu behaupten und zu bescheinigen, dass sie die Marke innerhalb der letzten fünf Jahre ernsthaft benutzt hat. Gelingt ihr das nicht, ist von einer relevanten Änderung der Sachverhaltsgrundlage auszugehen.

Für die Beurteilung der ernsthaften Benutzung hat das Rekursgericht zutreffend auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-40/01 verwiesen. Danach wird eine Marke ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion - die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, zu garantieren - benutzt wird, um für diese Waren und Dienstleistungen einen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern, unter Ausschluss symbolischer Verwendungen, die allein der Wahrung der durch die Marke verliehenen Rechte dienen. Die Frage, ob die Benutzung ernsthaft ist, ist anhand sämtlicher Umstände zu prüfen, die belegen können, dass die Marke tatsächlich geschäftlich verwertet wird; dazu gehören insbesondere Verwendungen, die im betreffenden Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen werden, um Marktanteile für die durch die Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder zu gewinnen, die Art dieser Waren oder Dienstleistungen, die Merkmale des Marktes sowie der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung der Marke.