02.10.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Zu irreführender oder aggressiver Werbung, die an Kinder gerichtet ist

Eine nach § 1a UWG aggressive Geschäftspraktik durch Belästigung liegt jedenfalls dann vor, wenn Kinder durch Mittel, die in Bezug auf ihr Fassungsvermögen (§ 1 Abs 2 S 2 UWG) unlauter sind, dazu veranlasst werden, auf ihre Eltern Druck in Bezug auf eine bestimmte Kaufentscheidung auszuüben; können einem Werbefolder von einem durchschnittlichen Volksschulkind, wobei Volksschulkinder Adressat der Werbung sind, nur die blickfangartig herausgestellten Vorteile entnommen werden, nicht aber die damit verbundenen Belastungen und wird den Eltern zudem nicht nur die - in der Erziehung unvermeidbare - Auseinandersetzung mit möglicherweise unvernünftigen Konsumwünschen ihrer Kinder aufgezwungen, liegt ein Verstoß gegen Lauterkeitsrecht vor


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, aggressive Geschäftspraktiken, Werbung, Kinder
Gesetze:

§ 1 UWG, § 1a UWG

GZ 4 Ob 57/08y, 08. 07. 2008

OGH: Die Werbemethode, Kinder als "Kaufmotivatoren" einzusetzen (Kinder sollen ihre Eltern veranlassen, eine bestimmte Kaufentscheidung zu treffen) wird von Z 28 des Anhanges zum UWG als aggressive Geschäftspraktik iSv § 1a UWG erfasst. Auf die Auslegung der Z 28 des Anhanges zum UWG kommt es allerdings nicht an, weil Gegenstand dieser Bestimmung die unter gewissen Umständen generell missbilligte Geschäftspraktik, Kinder als Kaufmotivatoren für ihre Eltern zu instrumentalisieren, ist.

Nach dem Klagebegehren soll aber an Kinder gerichtete Werbung nur verboten werden, wenn darin Preise verschleiert oder Gewinnspiele angekündigt werden. Von der Klägerin wird daher der Einsatz unlauterer Mittel gegenüber den Kindern durch die Beklagte beanstandet.

Gem § 1a UWG gilt eine Geschäftspraktik als aggressiv, wenn sie geeignet ist, die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Marktteilnehmers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung oder durch unzulässige Beeinflussung wesentlich zu beeinträchtigen und ihn dazu zu veranlassen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine solche Belästigung liegt jedenfalls dann vor, wenn Kinder durch Mittel, die in Bezug auf ihr Fassungsvermögen (§ 1 Abs 2 S 2 UWG) unlauter sind, dazu veranlasst werden, auf ihre Eltern Druck in Bezug auf eine bestimmte Kaufentscheidung auszuüben. Eltern kann grundsätzlich zugemutet werden, den Wünschen ihrer Kinder auch dann Grenzen zu setzen, wenn diese Wünsche durch an diese gerichtete Werbung veranlasst oder verstärkt. An Kinder gerichtete Werbung ist - wie sich wohl auch aus einem Gegenschluss zu Z 28 des Anhangs zum UWG ergibt - nicht absolut unzulässig.

Anderes gilt aber, wenn die Wünsche der Kinder durch eine irreführende Geschäftspraktik oder eine andere unlautere Handlung hervorgerufen werden. Damit wird den Eltern nicht nur die - in der Erziehung unvermeidbare - Auseinandersetzung mit möglicherweise unvernünftigen Konsumwünschen ihrer Kinder aufgezwungen, vielmehr müssen sie durch die Werbung veranlasste Fehlvorstellungen widerlegen, was in der Regel mit einem weit höheren zeitlichen und argumentativen Aufwand verbunden ist als das Gespräch über Konsumwünsche im Allgemeinen. Auch durchschnittlich informierte und verständige Eltern, die eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwenden, können unter solchen Umständen geneigt sein, den Wünschen des Kindes nachzugeben und damit eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die sie sonst nicht getroffen hätten. Unternehmen, die sich diesen Umstand zu Nutze machen, indem sie Kinder mit unlauteren Methoden bewerben, sind vom Schutzzweck der Erziehungspflicht der Eltern nicht erfasst. Daher können sie sich zur Rechtfertigung ihres Verhaltens nicht auf ein aus normativer Sicht "maßstabgerechtes" Verhalten der Eltern berufen.