30.09.2007 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Macht der Arbeitnehmer von seinem Wahlrecht Gebrauch und akzeptiert eine frist- und termingerechte Kündigung nach einem Betriebsübergang gem § 3 AVRAG, besteht keine rechtfertigende Grundlage, über den Zeitraum der Kündigungsfrist hinaus für eine weitergehende Zeitspanne Kündigungsentschädigung zu begehren


Schlagworte: Betriebsübergang, Kündigung, Wahlrecht, Kündigungsentschädigung für eine weitergehende Zeitspanne
Gesetze:

§ 3 AVRAG

In seinem Erkenntnis vom 08.08.2007 zur GZ 9 ObA 55/07i hat sich der OGH mit der Kündigung iZm dem Betriebsübergang befasst:

OGH: Die Rechtsprechung räumt besonders bestandgeschützten Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis in unzulässiger Weise beendet wurde, das Wahlrecht ein, entweder auf der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu bestehen oder die Beendigung zu akzeptieren und Ersatzansprüche nach § 29 AngG bzw § 1162b ABGB geltend zu machen. Bei der Frage, ob bzw in welcher Form bei der Bemessung derartiger Ersatzansprüche auch die zur (fiktiven) Beendigung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Zeit zu berücksichtigen ist, differenziert die Rechtsprechung: Bei Betriebsratsmitgliedern etwa sieht sie vom durch den Kündigungsschutz gewährten Schutzzeitraum ab, bei begünstigten Behinderten wendet sie § 1158 Abs 3 und § 21 AngG analog an und bemisst die Kündigungsentschädigung unter Bedachtnahme auf eine Kündigungsfrist von sechs Monaten, sofern nicht aufgrund von Gesetz, Kollektiv- oder Dienstvertrag eine längere Kündigungsfrist besteht. Beim Bestandschutz nach dem BAG, nach dem MuttSchG, dem VKG und dem APSG wird der geschützte Zeitraum berücksichtigt. Bei einer nach § 45a AMFG unwirksamen Kündigung stellt die Berechnung auf die nach Ablauf der Sperrfrist des § 45a AMFG mögliche Kündigung ab.

Nun trifft es zwar zu, dass es auch bei Kündigungen unter Verstoß gegen das aus § 3 AVRAG abgeleitete Kündigungsverbot dem Arbeitnehmer freisteht, nicht auf der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu bestehen, sondern die an sich unwirksame Beendigung zu akzeptieren. Es versteht sich auch von selbst, dass der Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis nicht fortsetzen will, bei frist- oder terminwidrigen Kündigungen Kündigungsentschädigung verlangen kann. Bei frist- und termingerechten Kündigungen besteht aber für einen Anspruch des Arbeitnehmers, über den Zeitraum der Kündigungsfrist hinaus für einen wie immer definierten weiteren Zeitraum Kündigungsentschädigung zu begehren, keine rechtfertigende Grundlage. Anders als in den oben beschriebenen Fällen des besonderen Bestandschutzes kennt nämlich weder § 3 AVRAG noch die BetriebsübergangsRL eine "Sperrfrist", innerhalb derer Kündigungen generell untersagt sind. Zweck des Kündigungsschutzes beim Betriebsübergang ist es, Kündigungen zu verhindern, die aus Anlass des Betriebsübergangs erfolgen. Kündigungen, die mit dem Betriebsübergang nicht in Zusammenhang stehen, sind hingegen ungeachtet des aus § 3 AVRAG abzuleitenden Kündigungsschutzes immer zulässig. Eine bestimmte Frist, vor deren Verstreichen eine Kündigung jedenfalls mit dem Betriebsübergang in Zusammenhang steht, existiert nicht. Der seit dem Betriebsübergang verstrichenen Zeit kommt allerdings Indizwirkung zu: Je kürzer der zeitliche Abstand der Kündigung zum Betriebsübergang ist, umso stärker ist diese Indizwirkung und umso mehr obliegt es dem Kündigenden, zu beweisen, dass die Kündigung trotz des zeitlichen Naheverhältnisses nicht aus Anlass des Betriebsübergangs erfolgt ist. Unter besonders gelagerten Umständen ist es daher denkbar, dass eine unmittelbar im zeitlichen Nahbereich des Betriebsübergangs ausgesprochene Kündigung unwirksam ist, wie es auch denkbar ist, dass eine Kündigung als unwirksam zu qualifizieren ist, die längere Zeit nach dem Betriebsübergangs, aber dennoch erweisbar aus Anlass des Betriebsübergang, ausgesprochen wurde.

Dass damit Arbeitgebern die Möglichkeit an die Hand gegeben wird, Arbeitnehmer billig loszuwerden, trifft nicht zu, weil es der unwirksam gekündigte Arbeitnehmer in der Hand hat, die Unwirksamkeit der Kündigung geltend zu machen und auf dem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu bestehen. Für pönalisierende Geldansprüche im Falle einer vom Arbeitnehmer akzeptierten frist- und termingerechten Kündigung fehlt es aber aus den dargestellten Überlegungen an einer rechtfertigenden Grundlage.