02.10.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: KartG - zur Anwendung des Auswirkungsprinzips im Anwendungsbereich des Nahversorgungsgesetzes

Das kartellrechtliche "Auswirkungsprinzip" ist auch auf Sachverhalte anzuwenden, die dem NVG unterliegen


Schlagworte: Kartellrecht, Nahversorgungsrecht, Auslandssachverhalt, Auslandsbezug, Kollisionsrecht, Auswirkungsprinzip, Grenzen
Gesetze:

§ 24 KartG, NVG

GZ 16 Ok 3/08, 16.07.2008

Der Gegner der gefährdeten Partei beantragt, dass ein auf das NVG gestützter Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen werde, da das NVG auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar sei, weil er sich zur Gänze außerhalb Österreichs ereignet habe und keine unmittelbaren Auswirkungen im Inland habe

OGH: Das NVG enthält keine eigenen kollisionsrechtlichen Regelungen. Der Gesetzgeber versteht das NVG jedoch als Ergänzung der kartellrechtlichen Vorschriften. Insoweit liegt es daher nahe, zur Füllung dieser Lücke auf die Vorschriften des KartG zurückzugreifen. Hierzu sieht § 24 Abs 2 KartG vor, dass dieses Bundesgesetz (nur, aber immerhin) anzuwenden ist, soweit sich ein Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirkt, unabhängig davon, ob er im Inland oder im Ausland verwirklicht worden ist. Damit liegt dem österreichischen Kartellrecht das sogenannte "Auswirkungsprinzip" zugrunde. Das Auswirkungsprinzip kann dazu führen, dass auf einen teilweise oder gar zur Gänze im Ausland verwirklichten Sachverhalt inländisches Recht anzuwenden ist. Dies bedeutet nicht nur, dass inländische Organe auf Auslandssachverhalte inländisches Recht anwenden, sondern auch, dass gegebenenfalls ausländische Organe auf in deren Staat verwirklichte Sachverhalte österreichisches Recht anzuwenden haben. Dem steht auch der teilweise öffentlich-rechtliche Charakter des Kartellrechts nicht entgegen.

Das Auswirkungsprinzip ist mit den europäischen Gemeinschaftsfreiheiten an sich vereinbar. Allerdings ist aus völkerrechtlichen und kollisionsrechtlichen Gründen eine Auslegung dahin zu wählen, dass die Ziele des Gesetzes unter den geringstmöglichen Konflikten mit anderen Staaten erreicht werden. Aus diesem Grund wird eine Einschränkung des Auswirkungsprinzips auf unmittelbare, beträchtliche und vorhersehbare Wirkungen vertreten. Mit dem Kriterium der Unmittelbarkeit sollen Fernfolgen der Wettbewerbsbeschränkung ausgeschaltet werden. In diesem Sinne ist etwa eine relevante Inlandsauswirkung zu verneinen, wenn eine ausländische Binnenmarktbeschränkung lediglich aufgrund der Interdependenz der Märkte bloße "Reflexwirkungen" auf dem inländischen Markt zur Folge hat. Beim Missbrauch marktbeherrschender Stellung können bloße Auswirkungen eines ausländischen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung im Ausland als Inlandsauswirkung angesehen werden, soweit hier eine unmittelbare Beziehung besteht, wie etwa der Vertrieb von Waren im Inland durch die eigene Absatzorganisation des marktbeherrschenden Unternehmens.