23.10.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Anwendbarkeit der §§ 141 Abs 1 S 2, 142 UGB auf vor dem 01. 01. 2007 gegründete Gesellschaften

Während die Kündigung der Gesellschaft nach der Rechtslage vor dem HaRÄG ohne gesellschaftsvertragliche abweichende Regelung zur Auflösung und Liquidation führte, können nach der neuen Rechtslage bei Kündigung durch einen Gesellschafter die übrigen Gesellschafter die Fortsetzung beschließen (§ 141 Abs 1 UGB) oder der letzte verbleibende Gesellschafter das Gesellschaftsvermögen übernehmen; auf diese Neuregelung konnte ein ursprünglicher Gesellschaftsvertrag nicht Rücksicht nehmen; daher ist der zeitliche Anwendungsbereich des § 142 Abs 1 UGB, soweit er einen Übergang des Gesellschaftsvermögens an den verbleibenden Gesellschafter auch ohne Vorliegen eines Ausschlussgrunds vorsieht, auf nach dem 1. 1. 2007 gegründete Gesellschaften zu beschränken


Schlagworte: Unternehmensrecht, Offene Gesellschaft, Fortsetzungsbeschluss, Gesamtrechtsnachfolge, Universalsukzession, Übergangsrecht
Gesetze:

§§ 140 ff UGB, § 907 UGB

GZ 6 Ob 152/08h, 07. 08. 2008

Die Streitteile sind die persönlich haftenden Gesellschafter einer OG. Der Beklagte kündigte die Gesellschaft am 29. 06. 2007 zum 30. 09. 2007 auf. Der Kläger erklärte gegenüber dem Beklagten, dass er als einziger verbleibender Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft beschlossen habe und das Unternehmen in der Rechtsform eines protokollierten Einzelunternehmers fortführen werde.

OGH: Nach der Übergangsbestimmung des § 907 Abs 8 UGB sind, sofern nichts anderes bestimmt wird, die Bestimmungen des Zweiten Buches idF des HaRÄG auch auf Gesellschaften anzuwenden, die vor dem 1. 1. 2007 errichtet wurden. Gem § 907 Abs 9 UGB ist, wenn nichts anderes vereinbart wurde, ua S 1 des § 141 Abs 1 UGB auf nach dem 31. 12. 2006 errichtete Personengesellschaften anzuwenden, auf vor diesem Zeitpunkt errichtete Gesellschaften sind die bisher geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Nach der vor dem HaRÄG geltenden gesetzlichen Regelung war eine einseitige Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch den verbleibenden Gesellschafter bei Fehlen einer entsprechenden abweichenden Vereinbarung nur bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes in der Person des anderen Gesellschafters möglich ( vgl §§ 131 bis 142 HGB). Das UGB behielt im Wesentlichen die bisherigen Auflösungstatbestände bei, erleichterte jedoch die Möglichkeit der verbleibenden Gesellschafter, die Auflösung der Gesellschaft zu vermeiden (§§ 140 ff UGB). § 142 Abs 1 UGB sieht eine Gesamtrechtsnachfolge in all jenen Fällen vor, in denen nur ein Gesellschafter verbleibt. Danach enthält § 141 Abs 1 S 1 UGB (Fortsetzungsbeschluss) keine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Die Besonderheit dieser Bestimmung liegt in ihrem S 2, wonach über die Fortsetzung der Gesellschaft - anders die Rechtslage vor dem HaRÄG - nur die verbleibenden Gesellschafter entscheiden. In Hinblick darauf ist die in § 907 Abs 9 UGB statuierte Ausnahme von der Grundregel des § 907 Abs 8 UGB zumindest auch auf § 141 Abs 1 S 2 UGB zu beziehen, zumal diese - auch sprachlich mit S 1 eng verbundene - Bestimmung losgelöst von S 1 keinen selbständigen Anwendungsbereich hat. Die Richtigkeit dieser Auslegung bestätigen auch die Gesetzesmaterialien, wonach § 907 Abs 9 S 2 UGB sicherstellen soll, dass jene Gesellschaften, die im Vertrauen auf die geltende Rechtslage keine besonderen Vereinbarungen zu den das Innenverhältnis der Gesellschaft betreffenden Fragen getroffen haben, nicht von der neuen Gesetzeslage überrascht werden. Nach der bisherigen Gesetzeslage hätte aber eine Kündigung der Gesellschaft durch einen Gesellschafter grundsätzlich zur Auflösung und Liquidation der Gesellschaft geführt. Ein Fortsetzungsbeschluss wäre nur mit Zustimmung des ausscheidenden Gesellschafters möglich gewesen. Eine einseitige Übernahme der Gesellschaft bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Gesellschaft wäre mangels anderer Vereinbarung nur bei Vorliegen eines Ausschließungsgrundes möglich gewesen. Auf diese Rechtslage konnte der Beklagte vertrauen.

Diese Überlegungen haben auch Einfluss auf die zeitliche Anwendbarkeit des § 142 UGB (Gesamtrechtsnachfolge): Durch das HaRÄG wurde der Anwendungsbereich des § 142 UGB auf alle Fälle erweitert, in denen nach Ausscheiden eines oder der anderen Gesellschafter nur mehr ein Gesellschafter "verbleibt". Soweit dieser eine Ergänzung zur nunmehr auch im Fall einer zweigliedrigen Gesellschaft vorgesehenen Ausschließungsklage darstellt, ist die Anwendbarkeit auch auf Altgesellschaften wohl durchaus folgerichtig (§ 140 Abs 1 S 2 UGB iVm § 142 Abs 1 UGB entspricht insofern der bisherigen Regelung des § 142 HGB). Anderes gilt jedoch für die Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 142 UGB auf alle Fälle, in denen nur mehr ein Gesellschafter "verbleibt" - dies unabhängig davon, ob ein zum Ausscheiden führender Grund einen Vorwurf begründet oder nicht. Auf diese Neuregelung konnte der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag nicht Rücksicht nehmen.

So ist der zeitliche Anwendungsbereich des § 142 Abs 1 UGB, soweit er einen Übergang des Gesellschaftsvermögens an den verbleibenden Gesellschafter auch ohne Vorliegen eines Ausschlussgrundes vorsieht, auf nach dem 01. 01. 2007 gegründete Gesellschaften zu beschränken. Diese Parallele des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 141 Abs 1 UGB und des § 142 Abs 1 UGB liegt auch deshalb nahe, weil es sich bei § 142 UGB nur um eine Ergänzung zu den §§ 140, 141 UGB für die zweigliedrige Gesellschaft handelt.

§ 142 UGB ist hier insoweit nicht anzuwenden, als diese Bestimmung über § 142 HGB hinausgeht. Die Übernahme des Gesellschaftsvermögens durch den Kläger ist also nur nach Ausschließung des Beklagten möglich.