23.10.2008 Wirtschaftsrecht

OGH: Verbindliches Angebot, um 1.000 EUR mehr als Höchstbieter zu bieten - Bestbieter?

In Vergabeverfahren ordnet nicht nur § 129 Abs 1 Z 4 BVergG, sondern auch Punkt 7.5.1.5. der ÖNORM A 2050 die Ausscheidung von Angeboten an, bei denen der Bieter keine Preise angibt, sondern nur erklärt, das billigste Angebot um einen bestimmten Prozentsatz oder Wert zu unterbieten


Schlagworte: Vergabeverfahren, unbestimmter Angebotspreis
Gesetze:

ÖNORM A 2050, § 129 BVergG

GZ 6 Ob 146/08a, 07.08.2008

Die Beklagte beabsichtigte, durch ihre Maklerin, die Ö***** GmbH, eine Liegenschaft in der Steiermark zu verkaufen. Die Maklerin übermittelte ein Schreiben an die Interessenten mit dem Betreff "Bestbieterermittlung zum Ankauf der Liegenschaft ..." und lud zur Legung eines letztgültigen verbindlichen Angebotes (mindestens EUR 590.000) ein.

Die Klägerin gab daraufhin ein Angebot ab, wonach sie für diese Liegenschaft verbindlich 1.000 EUR mehr als jener Bieter, der im Zuge dieses Verfahrens den höchsten Kaufpreis für diese Liegenschaft geboten hat, mindestens jedoch 591.000 EUR bietet.

OGH: Gegenstand des Vergaberechts sind Beschaffungsvorgänge des Staates im weitesten Sinn. Es muss eine "Einkaufssituation" vorliegen, in der die öffentliche Hand als Nachfrager auftritt. Kein Beschaffungsvorgang und keine "Einkaufssituation" in diesem Sinn kann angenommen werden, wenn das Schwergewicht eines Vertrags auf der Erzielung von Einnahmen für den Bund liegt. Veräußerungsgeschäfte, durch die der Staat nur eine Einnahmequelle auftun möchte, sind demnach vom Vergaberecht grundsätzlich nicht erfasst.

In Vergabeverfahren ordnet nicht nur § 129 Abs 1 Z 4 BVergG, sondern auch Punkt 7.5.1.5. der ÖNORM A 2050 die Ausscheidung von Angeboten an, bei denen der Bieter keine Preise angibt, sondern nur erklärt, das billigste Angebot um einen bestimmten Prozentsatz oder Wert zu unterbieten; gerade einer solchen Vorgangsweise entsprach aber auch jene der Klägerin, den höchsten Kaufpreis der Liegenschaft um 1.000 EUR zu überbieten, ohne selbst einen konkreten (bestimmten) Kaufpreis zu nennen.

Nach der Rechtsprechung des OGH wird die ÖNORM A 2050 als "selbstbindende Norm" auch auf Vergabeverfahren außerhalb der Vergabegesetze angewendet; sie konkretisiert ua den dem Vergabewesen immanenten, verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitssatz, der auch die Verpflichtung enthält, den Bestbieter in transparenter und objektiver Weise zu ermitteln. Dieser Grundsatz muss aber jedenfalls für eine Rechtsperson gelten, die ein Bestbieterverfahren einleitet, wenn sie - bei anderer Konstellation - einem Vergabegesetz oder der ÖNORM A 2050 direkt unterliegen würde, etwa als Sektorenauftraggeber.