15.01.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Zum urheberrechtlichen Werkbegriff

Allgemeine Ausführungen


Schlagworte: Urheberrecht, Werk
Gesetze:

§ 1 UrhG

GZ 4 Ob 162/08i, 14.10.2008

OGH: Der urheberrechtliche Werkbegriff umschreibt, was den Gegenstand urheberrechtlichen Schutzes ausmacht und im urheberrechtlichen Sinn als "Literatur und Kunst" anzusehen ist. Der urheberrechtliche Kunstbegriff deckt sich nicht notwendig mit dem kunsttheoretischen bzw einem markt- oder publikumsorientierten, von den jeweiligen Kunstströmungen abhängigen Kunstverständnis, das einem steten Wandel unterliegt. Das urheberrechtlich schützbare Werk muss vielmehr neutral und objektiv umschrieben und für alle künstlerischen Phänomene und Entwicklungen offen sein. Ausgehend von einem offenen Kunstverständnis ist urheberrechtlicher Schutz allen schützenswerten geistigen Schöpfungen zu gewähren, die im weitesten Sinn als Kunst interpretierbar sind und ein Mindestmaß an Gestaltung aufweisen, das sie von anderen (ähnlichen) Produkten unterscheidet. Dieses Mindestmaß an formender Gestaltung wird im Urheberrecht als Originalität, Individualität, Eigenpersönlichkeit oder Eigentümlichkeit beschrieben.

Urheberechtlich schützbar sind Werke nur, wenn sie eigentümlich iSd § 1 Abs 1 UrhG sind. Diese Beschränkung folgt im Wesentlichen aus dem urheberrechtlichen Freihaltebedürfnis zu Gunsten der Allgemeinheit. Der urheberrechtliche Schutz jeglicher, auch noch so alltäglicher, banaler Leistungen würde die Schaffensfreiheit anderer unerträglich beeinträchtigen.

Der Senat geht in stRsp davon aus, dass nur eine individuell eigenartige Leistung, die sich vom Alltäglichen, Landläufigen, üblicherweise Hervorgebrachten abhebt, geschützt ist. Die Schöpfung muss zu einem individuellen und originellen Ergebnis geführt haben. Beim Werkschaffenden müssen persönliche Züge - insbesondere durch die visuelle Gestaltung und durch die gedankliche Bearbeitung - zur Geltung kommen. Dem Allerweltserzeugnis, der rein handwerklichen Leistung, die jedermann mit durchschnittlichen Fähigkeiten ebenso zustande bringen würde, fehlt die erforderliche Individualität.

Im Zusammenhang mit dem europäischen Werkbegriff hat der Senat bereits wiederholt ausgesprochen, dass es keines besonderen Maßes an Originalität bedarf. Es genügt, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Werk und Schöpfer insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit auf Grund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel zum Ausdruck kommt und eine Unterscheidbarkeit bewirkt. Diese Rechtsprechung hat im Schrifttum Zustimmung gefunden.

Da der urheberrechtliche Werkbegriff objektiv konzipiert ist, spielt für die Schutzfähigkeit eines Werks keine Rolle, ob es in Museen ausgestellt, von Publikum und Kunsthandel als Kunst anerkannt, von Kunstsachverständigen als Kunst bewertet oder von einem Künstler geschaffen worden ist.

Der Nachweis des Werkcharakters kann im Allgemeinen schon durch die Vorlage des Werks erbracht werden, weil die Beurteilung, ob dadurch ein Werk iSd UrhG verkörpert wird, eine Rechtsfrage ist, die das Gericht zu lösen hat.

Wie der Senat erst jüngst erneut ausgeführt hat, ist ein einzelner Werkteil nur unter der Voraussetzung geschützt, dass der betreffende Teil für sich eine eigentümliche geistige Schöpfung iSd § 1 Abs 1 UrhG ist. Um den Schutz eines bloßen Werkteils zu beurteilen, ist es somit weder erforderlich, diesen in eine Relation zum Gesamtwerk zu stellen, noch den Werkcharakter des Gesamtwerks zu beurteilen.