29.01.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Schadenersatz und Vergaberecht

Die Einhaltung der Vergabebestimmungen dient auch und va dem Schutz der Bieter vor unlauterer Vorgangsweise bei der Vergabe


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Vergaberecht, firmenmäßige Fertigung
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, Vergaberecht

GZ 9 Ob 38/08s, 29.10.2008

Die Beklagte hat in ihrer Ausschreibung ausdrücklich ausgeführt, dass das Angebot "nur dann rechtsgültig (sei), wenn das Formular "Angebotsschreiben" auf Seite 4 im letzten Feld bereits bei der Eröffnung der Angebote vom Bieter firmenmäßig unterfertigt ist". Dennoch hat die Klägerin wohl das ihrem Anbot angeschlossene Leistungsverzeichnis, nicht aber das Formular "Angebotsschreiben" unterfertigt.

OGH: Die Einhaltung der Vergabebestimmungen dient auch und va dem Schutz der Bieter vor unlauterer Vorgangsweise bei der Vergabe. Die Vergabebestimmungen legen den Organen der öffentlichen Hand Verhaltenspflichten auf, auf deren Beachtung die Bieter vertrauen dürfen. Die Verletzung solcher "Selbstbindungsnormen" kann im vorvertraglichen Bereich die Verpflichtung des Rechtsträgers zum Schadenersatz nach sich ziehen, wobei ein Verschulden des Organs nach § 1298 ABGB vermutet wird. Befolgt der Rechtsträger die Vergabebestimmungen, indem er ein Angebot ausscheidet, das den Bestimmungen nicht entspricht, so ist er auch nicht zum Schadenersatz verpflichtet. In diesem Sinn wurde der Schadenersatzanspruch eines Bieters verneint, dessen Angebot ausgeschieden worden war, weil es entgegen den Vergaberichtlinien nicht firmenmäßig unterfertigt war. Der OGH hat dies damit begründet, dass mit dem Erfordernis einer firmenmäßigen Unterfertigung von Angeboten von vornherein Klarheit über deren volle Rechtswirksamkeit geschaffen werden soll. Das Angebot muss so abgefasst sein, dass die Leistungsbeschreibung und die sonstigen Bestimmungen in derselben Fassung mit der Auspreisung durch den Bieter ohne weitere Umgestaltung für den abzuschließenden Vertrag verwendet werden können. Durch ein Verbesserungsverfahren zur Behebung des Mangels der nicht ordnungsgemäßen Fertigung des Angebots würde einem Bieter noch nach Anbotseröffnung die faktische Möglichkeit eingeräumt, sanktionslos ein ihn reuendes Angebot wieder ungeschehen zu machen, indem er die Verbesserungsfrist ungenutzt verstreichen lässt. Das hätte eine schwerwiegende Wettbewerbsverzerrung zur Folge. Die Mitbieter dürfen daher darauf vertrauen, dass ein wegen nicht firmenmäßiger Fertigung den Vorgaben nicht entsprechendes Angebot sofort ausgeschieden wird.

Hier hat die Klägerin nur den "technischen" Teil des Anbots (das Leistungsverzeichnis), nicht aber den "rechtlichen" Teil (das Formular "Angebotsschreiben") unterfertigt. Nur in letzterem waren aber wesentliche Angebotsbedingungen enthalten, sodass insofern der Bindungswille der Klägerin nicht dokumentiert war. Wäre daher der Klägerin die Möglichkeit einer Verbesserung eingeräumt worden, hätte sie sehr wohl die Möglichkeit gehabt, die verbindliche Anbotstellung noch einmal zu überdenken.

Der Einwand der Revisionswerberin, all das könne hier nicht gelten, weil hier aufgrund der für die Beklagte geltenden Rechtslage die ÖNORM A 2050 zwingend anzuwenden sei, ist schon deshalb verfehlt, weil auch die "zwingende" und uneingeschränkte Anwendung dieser ÖNORM - subsidiär lag sie der Ausschreibung ohnedies zugrunde - zu keinem anderen Ergebnis führen würde. Auch nach der ÖNORM A 2050 ist nämlich das Fehlen der firmenmäßigen Fertigung des Anbots, die dazu führt, dass diesem die Verbindlichkeit fehlt, ein nicht verbesserungsfähiger Mangel, der zur Ausscheidung des Anbots führen muss