19.02.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Nicht rechtskräftige Nichtigerklärung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters - Einwand der Nichtigkeit im Sicherungsverfahren zulässig?

Der (nicht im Weg einer Widerklage) erhobene Einwand der Nichtigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist im Sicherungsverfahren zulässig


Schlagworte: Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht, Sicherungsverfahren, nicht rechtskräftige Nichtigerklärung, Einwand
Gesetze:

Art 90 GGV

GZ 17 Ob 16/08i, 14.10.2008

Die Nichtigkeitsabteilung des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) hat das Gemeinschaftsgeschmacksmuster der Klägerin für nichtig erklärt. Es mangle ihm zwar nicht an Neuheit, wohl aber an Eigenart. Mangels Rechtskraft dieser Entscheidung ist das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (noch) aufrecht registriert.

Die Klägerin stützt ihr Sicherungshauptbegehren auf eine Verletzung ihres registrierten Gemeinschaftsgeschmacksmusters.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge und erließ das auf eine Verletzung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters gegründete Sicherungshauptbegehren. Dem Einwand der mangelnden Neuheit und Eigenart des Gemeinschaftsgeschmacksmusters hielt das Rekursgericht Art 85 Abs 1 GGV entgegen, wonach im Verfahren über eine Verletzungsklage von der Rechtsgültigkeit des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters auszugehen sei. Demnach könne die Rechtsgültigkeit nur mit Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit bestritten werden. Das Gericht sei auch im Verletzungsstreit über ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nur in beschränktem Umfang befugt, dessen Rechtsgültigkeit zu prüfen. Bringe die Beklagte keine Widerklage ein, so könne sie die Rechtsgültigkeit des Gemeinschaftsgeschmacksmusters im Verletzungsstreit nur mit dem Einwand mangelnder Benutzung oder eines ihr zustehenden älteren Rechts bekämpfen. Keinen der beiden Einwände habe die Beklagte erhoben. Das Nichtigkeitsverfahren vor dem Harmonisierungsamt sei noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, sodass im Sicherungsverfahren von der Rechtsgültigkeit des zu Gunsten der Klägerin registrierten Gemeinschaftsgeschmacksmusters auszugehen sei. Neuheit und Eigenart seien demnach zu unterstellen.

OGH: Entgegen der Auffassung des Rekursgerichts ist der (nicht im Weg einer Widerklage) erhobene Einwand der Nichtigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters im Sicherungsverfahren zulässig (Art 90 Abs 1 GGV). Art 85 Abs 2 GGV gilt entsprechend. Danach ist von der Rechtsgültigkeit eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters nur dann auszugehen, wenn der Rechteinhaber Beweise für das Vorliegen der Voraussetzungen von Art 11 (Zugänglichmachung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters in der Öffentlichkeit) erbringt und "angibt", inwiefern sein Gemeinschaftsgeschmacksmuster Eigenart aufweist. Die Klägerin hat daher im Sicherungsverfahren die Eintragung des Gemeinschaftsgeschmacksmusters und dessen Eigenart glaubhaft zu machen. Der Einwand und die Gegenbescheinigung mangelnder Eigenart sind im Sicherungsverfahren zulässig, die Bescheinigungslast trifft insoweit die Beklagte.