26.03.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Unlautere Geschäftspraktik - zum Durchschnittsverbraucher gem § 1 Abs 2 UWG bei heterogenem Publikum

Bei einem heterogenen Publikum ist eine Geschäftspraktik schon dann irreführend, wenn dies für eine der angesprochenen Verbrauchergruppen gilt


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, unlautere Geschäftspraktiken, Durchschnittverbraucher, heterogenes Publikum
Gesetze:

§ 1 Abs 2 UWG

GZ 4 Ob 188/08p, 20.01.2009

Die Werbung der Beklagten spricht ein durchaus heterogenes Publikum an, dem sowohl ein unterschiedliches wirtschaftliches und rechtliches Vorverständnis als auch ein unterschiedlicher Grad an Aufmerksamkeit unterstellt werden kann.

OGH: Wendet sich eine Geschäftspraktik an eine Gruppe von Verbrauchern, so gilt als Durchschnittsverbraucher nach § 1 Abs 2 Satz 1 UWG (Art 5 Abs 2 lit b RL-UGP) das durchschnittliche Mitglied dieser Gruppe. Bei einem heterogenen Publikum ist eine Geschäftspraktik schon dann irreführend, wenn dies für eine der angesprochenen Verbrauchergruppen gilt. Zwar wäre es theoretisch denkbar, den Standard eines (fiktiven) "gruppenübergreifenden" Durchschnittsverbrauchers zu konstruieren. Das führte jedoch zu absurden Ergebnissen: Richtete sich eine Werbung nur an eine bestimmte der tatsächlich erfassten Zielgruppen, so könnte die Irreführungseignung unter Bedachtnahme auf ein durchschnittliches Mitglied dieser Gruppe zu bejahen sein; wäre die Werbung demgegenüber breiter gestreut, so müsste die Unlauterkeit möglicherweise verneint werden, weil aufgrund eines durch verständigere Adressaten "gehobenen" Durchschnittsstandards die Irreführungseignung wegfiele. Ein solches Ergebnis kann dem europäischen Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Vielmehr hat bei einer Werbung, die sich tatsächlich an verschiedene, nach objektiven Merkmalen identifizierbare Gruppen richtet, eine gruppenspezifische Prüfung stattzufinden. Ein Verbot ist in einem solchen Fall schon dann gerechtfertigt, wenn die beanstandete Geschäftspraktik geeignet ist, ein durchschnittliches Mitglied auch nur einer dieser Gruppen in die Irre zu führen und so zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die diese (fiktive) Person sonst nicht getroffen hätte.