10.06.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Bemessung der Geldbußen gem § 30 KartG

Der Umsatz bleibt Ausgangspunkt der Beurteilung; lediglich wenn das Kartellgericht im Rahmen seiner Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis kommt, dass eine höhere als die beantragte Geldbuße zu verhängen gewesen wäre, darf es diesen Betrag nicht ausschöpfen, sondern lediglich die beantragte Geldbuße verhängen


Schlagworte: Kartellrecht, Bemessung der Geldbußen
Gesetze:

§ 29 KartG, § 30 KartG

GZ 16 Ok 4/09, 25.03.2009

OGH: Wie das KOG erst jüngst ausgesprochen hat, verfolgen die Geldbußen des österreichischen Kartellrechts präventive und repressive Zwecke. Nur eine angemessen hohe Geldbuße kann abschreckende Wirkung erzielen. Die theoretisch optimale Höhe der Geldbuße für einen materiellrechtlichen Wettbewerbsverstoß ist der Betrag des erlangten Gewinns zuzüglich einer Marge, die garantiert, dass die Zuwiderhandlung nicht Folge eines rationalen Kalküls ist.

Die Festsetzung einer kartellrechtlichen Geldbuße ist grundsätzlich eine Ermessensentscheidung, bei der neben den - nicht taxativ aufgezählten - gesetzlichen Bemessungsfaktoren die Umstände des Einzelfalls und der Kontext der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen sind. Es handelt sich dabei um eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung aller Umstände, und nicht um das Ergebnis einer schlichten Rechenoperation auf Grundlage etwa des Gesamtumsatzes.

Die Kontrolle der Höhe einer Geldbuße im Rechtsmittelverfahren richtet sich danach, inwieweit das Kartellgericht bei der ihm obliegenden Ermessensentscheidung rechtlich korrekt alle gesetzlichen Faktoren berücksichtigt hat, die für die Beurteilung der Schwere eines bestimmten Verhaltens von Bedeutung sind.

Das Geldbußensystem des Gemeinschaftsrechts (Art 23 VO 1/2003) ist mit jenem des nationalen Rechts nicht deckungsgleich. Die Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen können deshalb im Verfahren über eine vom Kartellgericht nach nationalem Recht zu verhängende Geldbuße nur in jenem Umfang sinngemäß angewendet werden, in dem die entsprechenden Normen und die ihnen zugrundeliegenden Wertungen vergleichbar sind.

Nach der klaren gesetzlichen Vorgabe ist bei Bemessung der Geldbuße vom erzielten (Gesamt-)Umsatz auszugehen. Dabei ist die Zusammenrechnungsregel des § 22 KartG anzuwenden. Die Bemessung nach dem Umsatz im letzten Jahr des Zuwiderhandelns entspricht den europäischen Vorgaben und stellt den zeitlichen Zusammenhang zwischen Verstoß und Leistungsfähigkeit sicher. Eine Einschränkung allein auf den tatbezogenen Umsatz kommt nicht in Betracht, weil dadurch die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unternehmens nicht ausreichend berücksichtigt würde. Zwar darf das Kartellgericht keine höhere Geldbuße verhängen als beantragt (§ 36 Abs 2 KartG), dies ändert aber nichts an den für das Kartellgericht maßgeblichen Bemessungskriterien des § 30 KartG. Bei Festsetzung der Geldbuße ist daher nicht vom Antrag auszugehen und davon - entsprechend den Milderungsgründen - allenfalls ein Abschlag vorzunehmen. Vielmehr bleibt der Umsatz Ausgangspunkt der Beurteilung. Lediglich wenn das Kartellgericht im Rahmen seiner Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis kommt, dass eine höhere als die beantragte Geldbuße zu verhängen gewesen wäre, darf es diesen Betrag nicht ausschöpfen, sondern lediglich die beantragte Geldbuße verhängen.

Es hängt immer von den besonderen Umständen des jeweiligen Falls ab, wie hoch die Geldbuße sein muss, um die mit ihr verfolgten Zwecke zu erreichen. Dass aber die Geldbuße der Repression und der Abschreckung dient und (nur) vergleichbare Sachverhalte gleich zu behandeln sind, entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH.

Nicht gefolgt werden kann den Rechtsmittelwerberinnen in ihrem Argument, dass die zu verhängende Geldbuße eine gewisse Relation zum Gewinn bzw Konzernjahresüberschuss aufweisen müsse oder sollte. Da sich der Konzernjahresüberschuss aus der Summe der Einzelergebnisse zusammensetzt, steht er in keinem Bezug zu kartellrechtswidrigen Absprachen bestimmter Konzernunternehmen. Seine Heranziehung überließe die festzusetzende Geldbuße den Zufälligkeiten der Ergebnisse einzelner Konzernbereiche und Konzerngesellschaften, die mit dem kartellrechtswidrigen Verhalten in keinerlei Zusammenhang stehen und aus sachfremden Gründen den Gesamtgewinn der Gruppe erhöhen oder verringern könnten.

Nach § 30 KartG ist bei Bemessung der Geldbuße ua auf die durch die Rechtsverletzung erzielte Bereicherung Bedacht zu nehmen. Dabei handelt es sich aber lediglich um ein Bemessungskriterium unter mehreren. Dies bedeutet umgekehrt, dass eine Geldbuße auch dann verhängt werden kann, wenn überhaupt keine Bereicherung eingetreten ist. Aus diesem Grund, aber auch wegen des weniger formstrengen Charakters des Verfahrens außer Streitsachen, bedarf es bei der Ermessensentscheidung über eine kartellrechtliche Geldbuße keines detaillierten Beweisverfahrens zur Ermittlung des exakten Ausmaßes der erzielten Bereicherung.