01.10.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Begründet das Informationsweiterverwendungsgesetz einen grundsätzlichen Anspruch auf Zugang zu Dokumenten öffentlicher Stellen?

Das IWG begründet kein eigenständiges Zugangsrecht zu Dokumenten öffentlicher Stellen


Schlagworte: Informationsweiterverwendungsrecht, Dokumente öffentlicher Stellen, Zugang
Gesetze:

§ 2 IWG

GZ 4 Ob 35/09i, 14.07.2009

Die Klägerin beantragte bei der Beklagten (Republik Österreich), gestützt auf § 5 Abs 1 IWG, ihr die tagesaktuellen Dokumente, beinhaltend die gesamten Firmenbuchauszüge jener Firmen, bei denen sich am Tag vor der Zurverfügungstellung im Firmenbuch der Republik Österreich Eintragungen oder Löschungen ereignet haben, gegen angemessenes Entgelt zur Verfügung zu stellen, wobei die Bereitstellung in elektronischer Form mittels Filetransfer erfolgen möge. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab; das IWG sei gem dessen § 2 Abs 1 nicht anwendbar.

OGH: Das IWG bezieht sich nur auf solche Dokumente öffentlicher Stellen, die zur Weiterverwendung bereitgestellt werden (§ 2 Abs 1 IWG). Diese Voraussetzung ist beim Firmenbuch nicht gegeben, weil dem Nutzer nach § 4 Abs 2 Firmenbuchdatenbankverordnung - welche Vorschrift gem § 2 Abs 2 IWG durch das IWG ausdrücklich nicht berührt wird - jegliche Verwertungshandlung, die dem Bund als Datenbankhersteller nach den Bestimmungen der § 76c ff UrhG vorbehalten sind, verboten ist. Das IWG begründet kein eigenständiges Zugangsrecht zu Dokumenten öffentlicher Stellen. Diese Auslegung des unmittelbaren Anwendungsbereichs des IWG entspricht dem klaren Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck und wird im Schrifttum nicht in Zweifel gezogen. Diese Auslegung steht auch in Einklang mit Erwägungsgrund 9 der RL 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (ABl Nr L 340 vom 31. 12. 2003, 90), wonach diese Richtlinie keine Verpflichtung zur Gestattung der Weiterverwendung von Dokumenten enthält, sowie mit Erwägungsgrund 22, wonach die Richtlinie das Bestehen von Rechten öffentlicher Stellen an geistigem Eigentum oder deren Inhaberschaft daran nicht berührt und auch die Wahrnehmung dieser Rechte über die in dieser Richtlinie gesetzten Grenzen hinaus nicht einschränkt. Art 3 der RL beschränkt ihren Anwendungsbereich daher folgerichtig auf jene Fälle, in denen die Weiterverwendung von Dokumenten im Besitz öffentlicher Stellen - aufgrund deren eigener freiwilligen Entscheidung - erlaubt wird.