04.11.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: ECG- Dienst der Informationsgesellschaft und Herkunftslandprinzip

Die Bewerbung der und das Vertragsanbot auf Ausarbeitung digitaler Daten zu Fotos im Internet ist ein Dienst der Informationsgesellschaft iSv § 3 Z 1 ECG; das gilt jedoch nicht für die beworbene Dienstleistung (Ausarbeitung der Fotos) selbst, weil diese nicht in Form der elektronischen Datenverarbeitung erbracht wird


Schlagworte: E-Commercerecht, Dienst der Informationsgesellschaft, Herkunftslandprinzip
Gesetze:

§ 3 ECG, § 20 ECG, § 21 ECG, § 4 ECG, GewO

GZ 4 Ob 30/09d, 14.07.2009

Die beklagte belgische Gesellschaft ist auf Digitalfotoprodukte und Internet-Anwendungen spezialisiert. Über ihre Internetseite bietet sie den Kunden weltweit die Entwicklung und Ausarbeitung von Digitalfotos an. Die Beklagte besitzt keine österreichische Gewerbeberechtigung, insbesondere keine Berechtigung nach § 94 Z 20 GewO (Fotografengewerbe).

OGH: Gem Erwägungsgrund 18 der E-Commerce-Richtlinie umfassen die Dienste der Informationsgesellschaft einen weiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten, die online vonstatten gehen. Diese Tätigkeiten können insbesondere im Online-Verkauf von Waren bestehen. Tätigkeiten wie die Auslieferung von Waren als solche oder die Erbringung von Offline-Diensten werden nicht erfasst.

Der Dienst der Informationsgesellschaft muss "elektronisch" erbracht werden. Die Daten oder Informationen müssen über ein System laufen, in dem die Daten sowohl beim Sender als auch beim Empfänger elektronisch verarbeitet und gespeichert werden. Dabei müssen die elektronischen Daten gesendet, weitergeleitet und empfangen werden. Charakteristisch ist, dass die Daten von "Punkt zu Punkt" übertragen werden. Solche Dienste sind etwa der Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen, der Online-Vertrieb von Finanzdienstleistungen, das sog "electronic publishing", die Online-Werbung und andere elektronische Maßnahmen zur Absatzförderung, Online-Informationsangebote sowie Online-Dienste, die Instrumente zur Datensuche, zum Zugang zu Daten oder zur Datenabfrage bereitstellen.

Daraus ergibt sich für die als Dienste der Informationsgesellschaft iSv § 3 Z 1 ECG zu qualifizierenden Online-Aktivitäten der Beklagten (Bewerbung und Vertragsabschluss im Internet) die Anwendbarkeit des ECG. Dies gilt aber nicht für die beworbene Dienstleistung selbst (Ausarbeitung der Fotos), da diese nicht in Form von elektronischer Datenverarbeitung erbracht wird.

Für Dienste der Informationsgesellschaft gilt im koordinierten Bereich (§ 3 Z 8 ECG) gem § 20 Abs 1 ECG das Herkunftslandprinzip. In den koordinierten Bereich fallen alle Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und die Ausübung der Tätigkeit eines Dienstes der Informationsgesellschaft. Der koordinierte Bereich umfasst aber nicht die Vorschriften betreffend die (physische) Ware selbst oder deren Lieferung bzw die Vorschriften über Dienste, die nicht auf elektronischem Wege angeboten werden. Dies bedeutet umgekehrt, dass der sog direkte E-Business (etwa Software-Download oder Electronic Ticketing) vom koordinierten Bereich erfasst ist. Für den indirekten E-Business gilt dieser nur, soweit Online-Tätigkeiten betroffen sind.

Erbringt ein Unternehmer seine Leistung zur Gänze online, so ist seine gesamte Tätigkeit Dienst der Informationsgesellschaft und unterliegt dem Herkunftslandprinzip. Erbringt er seine Leistung jedoch physisch anwesend beim Kunden in Österreich, dann kann er sich mangels Erbringung eines Dienstes der Informationsgesellschaft nicht auf das Herkunftslandprinzip berufen; er hat seine Befähigung nach § 373a GewO nachzuweisen.

Die Richtlinie erfasst jegliche Tätigkeit, die mittels Fernkommunikationsmittel erbracht wird, damit auch den Online-Verkauf. Auch wenn daher an sich nach der Rechtsprechung des EuGH der Schwerpunkt einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Warenabsatz läge, ist bei entsprechender Werbung über elektronische Wege die E-Commerce-Richtlinie einschlägig - allerdings nur eben hinsichtlich dieser Werbung und dem Online-Vertragsabschluss, nicht hinsichtlich der außerhalb der elektronischen Übertragung stattfindenden Vorgänge. Der Bereich außerhalb der Online-Welt, etwa Anforderungen an Waren, die offline geliefert werden, wird von der Richtlinie nicht tangiert.

Gem § 21 Z 14 ECG ist das Herkunftslandprinzip im Bereich der Rechtsvorschriften über Dienstleistungen, die nicht elektronisch erbracht werden, nicht anzuwenden. Dies bedeutet für den Online-Vertrieb von Waren und Dienstleistungen - der als Dienst der Informationsgesellschaft zu qualifizieren ist, auch wenn der Versand der Ware oder die Erbringung der Dienstleistung nicht elektronisch erfolgt -, dass hinsichtlich Webauftritt und Bestellmöglichkeit das Recht des Niederlassungsstaats des Diensteanbieters gilt (Herkunftslandprinzip), nicht aber für die Vertragserfüllung durch physische Übersendung der Ware. Die Ausnahmebestimmung vom Herkunftslandprinzip nach § 21 Z 14 ECG ist eng auszulegen.

Untrennbar mit der Festlegung des Herkunftslandprinzips ist die Definition der "Niederlassung" des Diensteanbieters verbunden. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des EuGH kommt es auf den Schwerpunkt der tatsächlich ausgeübten wirtschaftlichen Aktivität an, und zwar mittels einer festen Einrichtung auf unbestimmte Zeit (§ 3 Z 3 ECG).