19.11.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Filmdarstellern stehen für Zeiten nachträglich angeordneter Schutzfristenverlängerungen (Art IV Abs 4 UrhGNov 2005) keine Leistungsschutzrechte zu

Filmurhebern stehen für Zeiträume nachträglicher Schutzfristenverlängerungen keine urheberrechtlichen Vergütungsansprüche zu; mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage gilt dies sinngemäß auch für Filmdarsteller in Ansehung deren Leistungsschutzrechte; die dadurch bewirkte Ungleichbehandlung von Filmurhebern und sonstigen Urhebern ist nicht gleichheitswidrig, sondern durch die besondere urheberrechtliche Interessenlage im Verhältnis von Filmurhebern und Filmherstellern gerechtfertigt


Schlagworte: Urheberrecht, Filmwerke Verwertungsrechte, Leistungsschutzrechte
Gesetze:

Art VIII Abs 3 Satz 1 UrhGNov 1996, § 38 Abs 1 erster Satz UrhG

GZ 4 Ob 53/09m, 08.09.2009

OGH: Mit der Art III UrhGNov 1953 wurden die urheberrechtlichen Schutzfristen ua an Filmwerken um 7 Jahre, mit der UrhGNov 1972 auf 50 Jahre nach Veröffentlichung und zuletzt mit der UrhGNov 1996 auf 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (§ 60 Abs 1 UrhG) verlängert. Gem § 38 Abs 1 erster Satz UrhG stehen die Verwertungsrechte an gewerbsmäßig hergestellten Filmwerken mit der in § 39 Abs 4 UrhG enthaltenen Beschränkung dem Inhaber des Unternehmens (Filmhersteller) zu.

Der Gesetzgeber hat in Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 ausdrücklich angeordnet, dass § 38 Abs 1 erster Satz UrhG auch für den Zeitraum der durch die UrhGNov 1972 und UrhGNov 1996 bewirkten Verlängerung der Schutzfrist gilt und dass dem Urheber hiefür kein Vergütungsanspruch iSd Übergangsbestimmungen der Art II Abs 3 UrhGNov 1972 und Art VIII Abs 3 UrhGNov 1996 zusteht. Zur Begründung dieser Regelung wird in den Gesetzesmaterialien auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine Regelungslücke zu schließen. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber durch Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 die zuvor strittige Frage, ob Filmurhebern für Zeiträume von Schutzfristenverlängerungen Vergütungsansprüche zustehen, im verneinenden Sinn klargestellt und geregelt hat.

§ 8 ABGB sieht die Möglichkeit vor, dass der Gesetzgeber den normativen Sinn eines (unklaren) Gesetzes durch ein neuerliches Gesetz erklärt (authentische Interpretation). Diese Aufklärung hat - sofern keine andere Regelung erfolgt - rückwirkende Kraft, da sie ab dem Inkrafttreten des "erklärten Gesetzes" gilt. Das Gericht hat in jeder Lage des Verfahrens auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen (hier: authentisch interpretierten) Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind.Daher sind die Übergangsbestimmungen der UrhGNov 1953, 1972 und 1996 im Lichte des Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 dahingehend auszulegen, dass Filmurhebern für Zeiträume von Schutzfristenverlängerungen keine urheberrechtlichen Vergütungsansprüche zustehen. Mangels gesetzlicher Anspruchsgrundlage gilt dies sinngemäß auch für Filmdarsteller in Ansehung deren Leistungsschutzrechte.

Die Regelung des Art IV Abs 4 UrhGNov 2005 erscheint nicht unsachlich und gleichheitswidrig, wenn sie Filmurheber in der Frage der Abgeltung von Verwertungshandlungen in Zeiten nachträglich angeordneter Schutzfristenverlängerungen nicht gleich behandelt wie sonstige Urheber. Diese Ungleichbehandlung ist durch die besondere urheberrechtliche Interessenlage im Verhältnis von Filmurhebern und Filmherstellern gerechtfertigt. Die Doppelnatur gewerbsmäßig hergestellter Filmwerke als geistige Schöpfungen und kostspielige Industrieerzeugnisse verlangen eine besondere urheberrechtliche Behandlung dieser Werke.