26.11.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Durchgriffshaftung des Alleingesellschafters einer Limited

Die bloße (erlaubte) Inanspruchnahme einer von der englischen Rechtsordnung bereitgestellten Gesellschaftsform kann noch kein Rechtsmissbrauch sein; es müsste zur Wahl einer bestimmten Rechtsform noch ein besonderer Missbrauchsvorsatz dazu treten damit es zur Durchgriffshaftung kommt


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Limited, Trennungsprinzip, Durchgriffshaftung, Rechtsmissbrauch
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB

GZ 9 ObA 125/08k, 30.9.2009

In der gegenständlichen Entscheidung geht es um die Frage der Durchgriffshaftung des Alleingesellschafters einer Limited, die ausschließlich in Österreich Tätigkeiten entfaltet.

OGH: Der Grundgedanke des Begriffs der Durchgriffshaftung liegt darin, dass sich niemand der Rechtsform einer juristischen Person zu dem Zweck bedienen darf, Dritte zu schädigen oder Gesetze zu umgehen. Unter gewissen Umständen, die allerdings nicht einheitlich beurteilt werden, ist es im Interesse des Gläubigerschutzes erforderlich und erlaubt, auf die hinter der juristischen Person stehenden Personen durchzugreifen und diese zur Erfüllung der Verbindlichkeiten heranzuziehen, die die juristische Person nicht erfüllen kann. Sowohl im österreichischen Recht für die GmbH als auch im englischen Recht für die Limited ist die Durchgriffshaftung eine Ausnahme vom ansonsten geltenden Trennungsprinzip, wonach für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen haftet. Der selbständige Haftungsgrund der Durchgriffshaftung tritt neben die Haftung der Gesellschaft. Die bloße (erlaubte) Inanspruchnahme einer von der englischen Rechtsordnung bereitgestellten Gesellschaftsform kann noch kein Rechtsmissbrauch sein. Es müsste also zur Wahl einer bestimmten Rechtsform noch ein besonderer Missbrauchsvorsatz dazu treten, der jedoch hier nicht vorliegt. Auch wenn eine Gesellschaft in einem Mitgliedstaat mit geringeren Anforderungen an die Einzahlung des Mindestgesellschaftskapitals gegründet wird, um damit durch anschließende Errichtung einer Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat dessen Recht über die Errichtung von Gesellschaften mit höheren Anforderungen an die Einzahlung des Mindestgesellschaftskapitals zu umgehen, so stellt dies im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit iSd Art 43, 48 EGV - vorbehaltlich der Verhinderung und Verfolgung allfälliger Betrügereien durch die Behörden - noch keine missbräuchliche Umgehung der Gesetze iSd vorstehend erörterten Rechtsformmissbrauchs dar.