22.12.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Spamming - Haftung des Geschäftsführers für die Prozesskosten bei Unterlassungsklage?

§ 107 TKG soll rechtswidrige Werbung verhindern, nicht aber einen Schaden ausgleichen, der daraus resultiert, dass dem Empfänger rechtswidriger Werbemails entstandene Prozesskosten aus einem von ihm gegen einen anderen Ersatzpflichtigen angestrengten Verfahren uneinbringlich sind


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, Schadenersatzrecht, unerbetene Nachrichten, Zusendung zu Zwecken der Direktwerbung, Haftung des Geschäftsführers für die Prozesskosten, Schutzzweck, Rechtswidrigkeitszusammenhang
Gesetze:

§ 1 UWG, § 107 TKG, §§ 1295 ff ABGB, § 14 UWG

GZ 7 Ob 166/09a, 30.09.2009

Strittig ist, ob in der vorliegenden Situation (verbotene E-Mail-Werbung einer GmbH, deren alleinige Geschäftsführerin die Beklagte war) eine Haftung der Geschäftsführerin für die (von der GmbH uneinbringlichen) Kosten des deswegen geführten Prozesses besteht.

OGH: Nach § 107 TKG 2003 sind E-Mails zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig und stellen daher auch einen (unmittelbaren) Verstoß gegen § 1 UWG dar. Nach herrschender Meinung trifft es weiters auch zu, dass bei Wettbewerbsverstößen der Gesellschaft neben dieser auch die Geschäftsführer in Anspruch genommen werden können. Voraussetzung dafür ist, dass sie den Wettbewerbsverstoß selbst begangen haben, daran beteiligt waren oder - bei Begehung durch einen im Unternehmen tätigen Dritten - trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Verstoßes nicht eingeschritten sind.

Die Revisionswerberin übersieht aber, dass es im vorliegenden Verfahren nicht um die Ahndung eines der Beklagten unter den genannten Voraussetzungen vorwerfbaren Verstoßes gegen § 107 TKG geht, sondern von ihr der Ersatz der im wegen des betreffenden Wettbewerbsverstoßes gegen T***** geführten "Vorverfahrens" aufgelaufenen Kosten begehrt wird, die bei der insolvent gewordenen (und daher nun aufgelösten) T***** uneinbringlich sind. Dieser Kostenersatzanspruch könnte allerdings nur dann auf einen Verstoß der Beklagten gegen § 107 TKG gestützt werden, wenn dies vom Schutzzweck dieser Norm erfasst wäre. Ist doch aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens nur für jene Schäden zu haften, welche die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern sollte (Rechtswidrigkeitszusammenhang). Schutzzweck des § 107 TKG ist nach einhelliger Auffassung die Bewahrung der Privatsphäre; die Klägerin betont in der Revision selbst, dass § 107 TKG davor schützen solle, "dass man unerbetene E-Mail-Werbung bekommt". § 107 TKG soll also rechtswidrige Werbung verhindern, nicht aber einen Schaden ausgleichen, der daraus resultiert, dass dem Empfänger rechtswidriger Werbemails entstandene Prozesskosten aus einem von ihm gegen einen anderen Ersatzpflichtigen angestrengten Verfahren uneinbringlich sind. Damit fehlt es in Bezug auf die genannte Norm des TKG an der Voraussetzung des Rechtswidrigkeitszusammenhangs. Entgegen der Behauptung der Klägerin kann auch keine Rede davon sein, dass ihre Ersatzforderung einen Beseitigungsanspruch iSd § 15 UWG darstellte. Ein solcher Beseitigungsanspruch dient im Gegensatz zum Unterlassungsanspruch nach § 14 UWG, der künftige Beeinträchtigungen verhindern soll, nach stRsp der Abwehr bereits erfolgter, aber noch fortdauernder Störungen. Mit dem Beseitigungsanspruch wird die Korrektur eines aus früherem rechtswidrigem Verhalten resultierenden, gegenwärtig fortdauernden Störungszustands verlangt. Die behauptete zivilrechtliche Haftung für den Kostenschaden der Klägerin kann auch aus der allfälligen verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortung der Beklagten nach § 9 VStG nicht abgeleitet werden.

Voraussetzung für den von der Klägerin begehrten Ersatz des ihr zufolge Uneinbringlichkeit der Kosten des Vorprozesses entstandenen Schadens wäre daher ein sonstiges rechtswidriges, der Beklagten persönlich vorwerfbares Verhalten als Geschäftsführerin der T*****, das für den Schaden adäquat kausal war. Ein solches die Haftung der Beklagten begründendes Verhalten hat die Klägerin zwar behauptet, indem sie den Vorwurf erhob, die Beklagte habe als Geschäftsführerin eine aussichtslose Prozessführung der T***** samt wissentlich falscher Behauptungen zu verantworten. Der Nachweis dieser, eine Haftung wegen absichtlicher sittenwidriger Schädigung begründenden, Behauptungen ist der Klägerin allerdings nicht gelungen. Dass die Beklagte die Uneinbringlichkeit der Prozesskosten etwa deshalb zu vertreten hätte, weil sie als Geschäftsführerin an der Insolvenz der T***** ein Verschulden träfe, hat sie gar nicht behauptet, geschweige denn bewiesen.