22.12.2009 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Auslegung von Schlichtungsvereinbarungen, die keine ausdrücklichen Regelungen zur Wahrung der Unbefangenheit bei der Bestellung von Mitgliedern einer Schlichtungseinrichtung iSd § 8 Abs 2 VerG enthalten

Die Bestellung des Schiedsgerichtsobmanns durch ein Organ des Vereins wird für unzulässig erachtet, wenn der Verein gleichzeitig Streitpartei ist


Schlagworte: Vereinsrecht, Streitschlichtung, Auslegung von Schlichtungsvereinbarungen, Bestellung, Unbefangenheit
Gesetze:

§ 8 VerG

GZ 6 Ob 194/09m, 16.10.2009

Zur Begründung für die Zulässigkeit des Rechtswegs iSd § 8 Abs 1 VerG brachte der Kläger vor, die Vereinsstatuten sähen zwar die Möglichkeit der Anrufung einer vereinsinternen Schlichtungsstelle vor, diese Schlichtungsstelle entspreche aber nicht den Bestimmungen des § 8 Abs 1 und 2 VerG. Die Anrufung sei dem Kläger im vorliegenden Fall nicht zumutbar, weil aufgrund des festgelegten Bestellungsverfahrens kein "fair trial" gewährleistet sei.

OGH: Nach stRsp des OGH ist eine gegen die Grundsätze des fair trial nach Art 6 EMRK verstoßende Regelung über die Besetzung des Vereinsschiedsgerichts nichtig. Ein solcher Verstoß durch nicht paritätische Besetzung der Schlichtungseinrichtung wurde etwa dann angenommen, wenn der Obmann nach den Vereinsstatuten zwei Schiedsrichter namhaft zu machen hatte, die dann ihrerseits einen Vorsitzenden zu wählen hatten, oder wenn die Statuten vorsahen, dass bei Nichteinigung der benannten Schiedsrichter über den Vorsitzenden dieser durch ein Organ einer Partei des Schiedsverfahrens zu ernennen war. Diese Judikatur fand durch die Schaffung des § 8 Abs 2 VerG 2002 insofern Eingang in das Gesetz, als nunmehr verlangt wird, dass die Statuten eines Vereins die Zusammensetzung und die Art der Bestellung der Mitglieder der Schlichtungseinrichtung unter Bedachtnahme auf deren Unbefangenheit zu regeln haben.

Die vorliegenden Vereinsstatuten enthalten keine Regelungen über den Umgang mit allfälligen Befangenheitsgründen bei Bestellung und Zusammensetzung des "Schiedsgerichts". Dieser Umstand schadet jedoch insofern nicht, als unklare oder eine mehrfache Deutung zulassende Bestimmungen in Vereinsstatuten in vernünftiger und billiger Weise so auszulegen sind, dass ihre Anwendung im Einzelfall brauchbare und vernünftige Ergebnisse zeitigt. Sie sind insbesondere dahin auszulegen, dass sie den Erfordernissen des § 8 VerG entsprechen. Dies gilt nicht nur für Statuten, die nach dem Inkrafttreten des VerG 2002 neu gefasst wurden und mangelhaft formuliert sind, sondern auch für ältere Statuten, deren Mängel sich aus einer unterlassenen Anpassung an die neue Gesetzeslage ergeben, sofern sie - wie im vorliegenden Fall - überhaupt eine Schlichtungseinrichtung vorsehen.

Es entspricht mittlerweile stRsp des OGH, dass eine Statutenbestimmung, wonach je zwei Schiedsrichter von den Streitparteien aus dem Kreis der Mitglieder des Vereins zu wählen sind, keine so massive Verletzung der Äquidistanz der Schlichtungseinrichtung zu beiden Streitteilen bewirkt, dass die Anrufung vor Beschreiten des Rechtswegs nicht zumutbar wäre.

Der Kläger erblickt in seinem Revisionsrekurs in der Regelung des § 17 Abs 2 der Vereinsstatuten, der die Bestellung des Obmanns des Schiedsgerichts regelt, einen Verstoß gegen die Grundsätze eines "fair trial". Diese Regelung besagt, dass der Obmann des Schiedsgerichts vom Clubvorstand zu wählen ist, wenn unter den insgesamt vier von den Streitparteien gewählten Schiedsrichtern keine Einigung über seine Person zu Stande kommt.

Dem Revisionsrekurs ist zwar zuzugestehen, dass die Bestellung des Schiedsgerichtsobmanns durch ein Organ des Vereins für unzulässig erachtet wird, wenn der Verein gleichzeitig Streitpartei ist. Handelt es sich aber - wie hier - um eine Auseinandersetzung zwischen einzelnen Mitgliedern, ist nicht zu erkennen, inwiefern durch die Entscheidung eines Kollegialorgans des Vereins über den Obmann des Schiedsgerichts eine krasse Ungleichgewichtslage hervorgerufen würde.

Hinsichtlich der Stellung des Beklagten als Vereinspräsident und damit Mitglied des Clubvorstands kann eine mit § 8 Abs 2 VerG konforme Auslegung der Statuten nur zu dem Ergebnis führen, dass eine Streitpartei, die gleichzeitig dem Clubvorstand angehört, in diesem Gremium wegen Befangenheit von der Beratung und Abstimmung über die Bestellung eines Schlichtungsstellenobmanns ausgeschlossen ist.