28.01.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Zum Entkräften des durch eine Patenterteilung für das Sicherungsverfahren begründeten Prima facie-Beweises der Rechtsbeständigkeit eines Europäischen Patents durch ausländische Entscheidungen, wonach dieses Patent nichtig ist

Ausländische Entscheidungen über die Nichtigerklärung eines Europäischen Patents wirken nur für den jeweiligen Urteilsstaat; ihre Gründe können aber in inländischen Sicherungsverfahren zur Bescheinigung von Nichtigkeitsgründen herangezogen werden


Schlagworte: Europäisches Patentrecht, Nichtigkeit, ausländische Entscheidungen, Prima facie-Beweis, Bescheinigung
Gesetze:

§ 24 PatV-EG, Art 2, 64 EPÜ, Art 22 EuGVVO, Art 33 EuGVVO, § 156 PatG

GZ 17 Ob 24/09t, 19.11.2009

OGH: Für das Verfahren bei Patentverletzungsstreitigkeiten und für die Rechtsfolgen einer Patentverletzung gilt nationales Recht (§ 24 PatV-EG, Art 64 Abs 3 EPÜ); so kann nach § 156 Abs 1 PatG die Gültigkeit eines Patents und mithin das Vorliegen von Nichtigkeitsgründen - unbeschadet der Zuständigkeit des Österreichischen Patentamtes und des Obersten Patent- und Markensenates für die endgültige Entscheidung - als Vorfrage des Verletzungsstreits beurteilt werden. Die Erteilung des Patents begründet im Sicherungsverfahren einen Prima facie-Beweis für die Rechtsbeständigkeit, der durch Gegenbescheinigung entkräftet werden kann.

Dabei können die Gründe ausländischer Entscheidungen, wonach ein Europäisches Patent für nichtig erklärt worden ist, geeignet sein, den genannten Prima facie-Beweis zu widerlegen und also der Bescheinigung des Vorbringens des im Verletzungsstreit Belangten dienen. Dazu ist aber ein entsprechendes Vorbringen erforderlich. Der bloße Hinweis auf die Existenz solcher Entscheidungen reicht nicht aus.

Allerdings besteht keine formale Bindung an ausländische Entscheidungen; mangels Regelung im EPÜ könnte eine solche nur aus der Ipso iure-Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union abgeleitet werden (Art 33 EuGVVO). Nach Art 22 Z 4 EuGVVO sind aber die Gerichte jedes Mitgliedstaates für die Entscheidung über die Erteilung oder Gültigkeit eines Europäischen Patents, das für diesen Staat erteilt wurde, ausschließlich zuständig.

So beschränken sich solche ausländischen Entscheidungen (hier des deutschen Bundespatentgerichtes und des englischen High Court) darauf, eine Nichtigkeit nur für den jeweiligen Staat auszusprechen. Sie haben keine Rechtswirkungen für die Rechtsbeständigkeit des Patents in anderen Vertragsstaaten des EPÜ. Die Wirkungen der Erteilung eines Europäischen Patents richten sich nämlich gem Art 2 Abs 2 EPÜ jeweils nach nationalem Recht. Damit wird aber der Territorialitätsgrundsatz nicht durchbrochen, weil das Europäische Patent ein Bündel von jeweils für einen Vertragsstaat des EPÜ wirkenden Patenten ist, die nur durch den gemeinsamen Erteilungsakt verbunden sind.

Im Übrigen ist die Frage nach der den Anschein der Rechtsbeständigkeit widerlegenden Bescheinigung der Tatsachen durch solche ausländischen Entscheidungen eine dem OGH grundsätzlich entzogene Frage der Beweiswürdigung.