04.02.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Verletzung einer Aufklärungspflicht iZm Unternehmensverkauf

Dass der klagende Käufer eines Unternehmens über keinerlei einschlägige Erfahrung in der Branche dieses Unternehmens verfügt iVm dem Umstand, dass nicht ein "normaler" Konkurrent der beklagten Verkäuferin, sondern deren Hauptlieferant in unmittelbarer Nähe des Standorts des Unternehmens ein Outletstore eröffnet, führt dazu, dass die wissentliche Verschweigung dieses Umstands durch die Beklagte als arglistige Verletzung einer sie treffenden Aufklärungspflicht zu werten ist


Schlagworte: Listige Irreführung, Aufklärungspflichtverletzung, Übung des redlichen Verkehrs
Gesetze:

§§ 870 f ABGB

GZ 3 Ob 111/09h, 22.10.2009

Der Kläger erwarb von der Beklagten ein Unternehmen. Da der Hauptlieferant des erworbenen Unternehmens nunmehr in unmittelbarer Umgebung ein Outletstore errichtet hat, ficht der Kläger den Vertrag wegen Irrtums an. Der Kläger sei von der Beklagten bezüglich der Outletstore-Eröffnung arglistig irregeführt worden.

OGH: List ist die rechtswidrige, vorsätzliche Täuschung. Listige Irreführung kann auch durch bewusstes Verschweigen von Umständen begründet werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass eine nach der Verkehrsanschauung gebotene Aufklärung unterlassen wurde.

Im gegenständlichen Fall verschwieg die Beklagte bewusst den Umstand, dass nach Beginn der Verkaufsverhandlungen, aber vor Abschluss des Unternehmenskaufvertrags ihr Hauptlieferant in unmittelbarer Nähe ein Outletstore eröffnet hatte, und wies überdies ihre Mitarbeiter an, den Kläger darüber nicht zu informieren, weil sie selbst von Umsatzeinbußen für das Geschäft ausging. Dieses wissentliche Verschweigen stellt Arglist dar.

Entscheidungswesentlich ist daher, ob die Beklagte in Ansehung der Eröffnung des Konkurrenzbetriebs eine Aufklärungspflicht traf. Generelle Aussagen, wann eine Aufklärungspflicht besteht, sind kaum möglich; es kommt auf die Übung des redlichen Verkehrs an. Eine allgemeine Aufklärungspflicht über alle Umstände, die den Vertragspartner vom Vertragsabschluss abhalten könnten, besteht nicht. Abzustellen ist darauf, ob der andere Teil nach den Grundsätzen des redlichen Geschäftsverkehrs eine Aufklärung erwarten durfte. F. Bydlinski meint, dass von einer Aufklärungspflicht, die zu einer Anfechtung wegen listiger Irreführung führen könnte, dann keine Rede sein könne, wenn die Verschweigung die Vertragszwecke des Partners nicht gefährdet und auch nicht dazu führt, dass dieser einen Schaden erleidet, sondern vielmehr nur dazu, dass er einen besonderen Vorteil nicht erlangt. Danach ist zunächst zu folgern, dass grundsätzlich keine Rechtspflicht eines Vertragspartners eines Unternehmenskaufvertrags besteht, über die Konkurrenzsituation aufzuklären. Allerdings verfügte der Kläger, wie er der Beklagten gegenüber offen legte, über keinerlei einschlägige Erfahrung in der Branche des Unternehmens der Beklagten. Dieser Umstand iVd, dass nicht etwa ein "normaler" Konkurrent, sondern der Hauptlieferant der Beklagten, in unmittelbarer Nähe des Standorts des Unternehmens der Beklagten ein Outletstore eröffnete, lässt die Beurteilung gerechtfertigt erscheinen, dass die wissentliche Verschweigung dieses Umstands durch die Beklagte als arglistige Verletzung einer sie treffenden Aufklärungspflicht zu werten ist. Dass die Beklagte den Kläger über die während den Vertragsverhandlungen neu entstandene Konkurrenzsituation wissentlich nicht aufgeklärt hat, widerspricht den Anschauungen des redlichen Verkehrs. Der Vertrag ist daher durch listige Irreführung zustande gekommen und der irregeführte Vertragspartner hätte den Vertrag nicht geschlossen, hätte er den wahren Sachverhalt gekannt.