18.03.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Art 81 EGV - zur Anwendbarkeit des sog Handelsvertreterprivileges

Art 81 EGV ist nicht anwendbar, wenn ein Absatzmittler einen geringen Teil der finanziellen und kommerziellen Gefahren einer wirtschaftlichen Tätigkeit trägt; das Vorliegen eines echten Handelsvertretervertrages ist auch nicht ausgeschlossen, wenn ein Handelsvertreter die Risiken trägt, die üblicherweise mit einer solchen Tätigkeit zusammenhängen


Schlagworte: Kartellrecht, Unternehmer, Handelsvertreter, Handelsvertreterprivileg
Gesetze:

Art 81 EGV

GZ 9 ObA 59/09f, 16.11.2009

OGH: Im Allgemeinen sind gem Art 81 Abs 1 EGV alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbes innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten.

Das Kartellverbot ist nur auf eine Vereinbarung oder akkordierte Verhaltensweise zwischen Unternehmen anwendbar. Unternehmen ist jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einrichtung, und zwar unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Echte Handelsvertreter sind grundsätzlich keine Unternehmer und unterliegen sohin auch nicht dem Kartellverbot des Art 81 EGV.

Handelsvertretereigenschaft liegt in diesem Zusammenhang dann vor, wenn ein Absatzmittler (hier: Tankstellenpächter), selbst wenn er eine eigene Rechtspersönlichkeit hat, sein Verhalten auf dem Markt nicht eigenständig bestimmt, weil er vollständig von seinem Geschäftsherrn abhängig ist, sodass dieser die finanziellen und kommerziellen Risiken in Bezug auf die betreffende wirtschaftliche Tätigkeit trägt.

Art 81 EGV ist auch dann nicht anwendbar, wenn der Absatzmittler nur einen geringen Teil dieser Gefahren trägt. Das Vorliegen eines echten Handelsvertretervertrages ist nicht ausgeschlossen, wenn der Handelsvertreter die Risiken trägt, die üblicherweise mit einer solchen Tätigkeit zusammenhängen. So stellt etwa die Tragung von Personal- und Betriebskosten durch den Absatzmittler keine relevante Risikoüberwälzung dar.