01.04.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Frachtführerhaftung - zur Rechtslage betreffend die Umladung des Transportguts und der Obhutspflichten des Frachtführers bei offenkundigen Schadensquellen

Will der Anspruchsteller den Frachtführer für den eingetretenen Schaden ohne jede Beschränkung haftbar machen, so hat er ihm gem Art 29 CMR qualifiziertes Verschulden nachzuweisen; den Anspruchsteller trifft in diesem Fall die volle Beweislast hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die qualifiziert schuldhafte Schadensverursachung durch den Frachtführer ergibt


Schlagworte: Frachtführerhaftung, grobe Fahrlässigkeit, Beweislast, Haftungsbegrenzung, Obhutspflicht, Umladefehler, offenkundige Schadensquelle
Gesetze:

Art 29 CMR, Art 17 CMR

GZ 7 Ob 126/09v, 27.01.2010

OGH: Soweit die CMR keine leges speciales enthält, kommen die §§ 425 bis 453 UGB zur Anwendung. Gem Art 17 Abs 1 CMR haftet der Frachtführer ua für eine Beschädigung des Gutes, sofern diese zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Bei der Haftung nach Art 17 CMR handelt es sich um ein vermutetes Verschulden mit verschärftem Sorgfaltsmaßstab für die Zeit zwischen der Übernahme des Gutes zur Erfüllung der frachtrechtlichen Verpflichtungen und seiner Ablieferung. Der Absender muss darlegen und beweisen, dass der Frachtführer das Gut unbeschädigt übernommen hat, dass es einen Schaden erlitten hat und dieser Schaden vor der Ablieferung eingetreten ist. Der Frachtführer hat die Möglichkeit, die ihn belastende Verschuldensvermutung durch den Nachweis zu entkräften, dass die Voraussetzungen eines Haftungsausschlussgrundes gegeben sind. So ist der Frachtführer vorbehaltlich des Art 18 Abs 2 bis 5 CMR von seiner Haftung befreit, wenn der Verlust oder die Beschädigung aus dem Fehlen oder aus Mängeln der Verpackung, wenn die Güter ihrer Natur nach bei fehlender oder mangelhafter Verpackung Verlusten oder Beschädigungen ausgesetzt sind, entstanden ist (Art 17 Abs 4 lit b CMR).

Entsprechend Art 29 Abs 1 CMR kann sich "der Frachtführer auf die Bestimmungen dieses Kapitels, die seine Haftung ausschließen oder begrenzen oder die Beweislast umkehren, nicht berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein ihm zur Last fallendes Verschulden verursacht hat, das nach dem Recht des angerufenen Gerichts dem Vorsatz gleichsteht". Das gilt nach Abs 2 leg cit auch, wenn nicht dem Frachtführer selbst, sondern seinen Bediensteten oder sonstigen Beförderungsgehilfen ein solch grobes Verschulden zur Last fällt. Dem Vorsatz gleichstehende Fahrlässigkeit bedeutet in Österreich grobe Fahrlässigkeit; die Beweislast für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit des Frachtführers trifft den Geschädigten. Wenn die Voraussetzungen des Art 29 CMR vorliegen, entfällt nach einhelliger Meinung jedenfalls das Recht des Frachtführers auf Haftungsbegrenzung nach Art 17 Abs 2 und 4 CMR, nach Art 18 CMR, aber auch nach Art 23 und 25 CMR.

Will also der Anspruchsteller den Frachtführer für den eingetretenen Schaden ohne jede Beschränkung haftbar machen, so hat er ihm gem Art 29 CMR qualifiziertes Verschulden nachzuweisen. Den Anspruchsteller trifft in diesem Fall die volle Beweislast hinsichtlich der Umstände, aus denen sich die qualifiziert schuldhafte Schadensverursachung durch den Frachtführer ergibt. Dafür wird es als ausreichend angesehen, wenn der Anspruchsteller das konkrete Verhalten des Schädigers und alle objektiven Tatsachen des Geschehens beweist. Aus diesen objektiven Tatsachen könne regelmäßig auf die innere Einstellung des Täters geschlossen werden.

Die Hauptleistungspflicht des Frachtführers besteht in der Beförderung von Gütern gegen ein bestimmtes Entgelt. Ebenfalls zur Hauptleistungspflicht gehört die Obhutspflicht, nach der der Frachtführer alle handelsüblichen und nach den Umständen des Falls zumutbaren Maßnahmen zum Schutz des Gutes zu treffen hat. Die Anforderungen, die an die Organisation des Transports von Gütern gestellt werden, sind dabei naturgemäß stark auf den Einzelfall bezogen zu beurteilen. Maßgeblich für die Bestimmung der Sorgfaltspflichten ist jedenfalls die Schadensgeneigtheit des Transportgutes. Jeder Frachtführer hat daher unter dem Gesichtspunkt der Obhutspflicht, die ihm gebietet, die ordnungsgemäße und technisch einwandfreie Durchführung des Transports zu gewährleisten, die Verpflichtung zum Schutz des fremden Eigentums vor jeder Beschädigung während der Beförderung. Daraus ergibt sich, dass er jedenfalls immer dann, wenn er (oder seine Beförderungsgehilfen) vor Beginn oder während der Beförderung Schadensquellen (sei es Lade- aber auch Verpackungsfehler des Absenders) feststellt, für deren Beseitigung Sorge tragen oder weitere Weisungen einholen muss; Gleiches gilt für offensichtliche Verpackungsmängel.

Erfolgt während des Transports durch den Frachtführer oder seine Gehilfen eine Umladung des Gutes, so geschieht diese Behandlung während des Obhutszeitraums und unterliegt daher im vollen Umfang der strengen Haftung nach Art 17 Abs 1 CMR; Umladefehler gehen daher zu Lasten des Frachtführers und er kann sich auf den Haftungsausschluss des Art 17 Abs 4 lit c CMR nicht berufen.

Sachgemäß vorgenommen ist die Verladung dann, wenn sie transportsicher erfolgt, dh dass das Gut gegen die normalen, also bei einem ordnungsgemäßen Transport üblicherweise zu erwartenden äußeren Einwirkungen geschützt ist. Hiezu gehören nicht nur plötzliche Bremsstöße, Auswirkungen der Fliehkraft beim Durchfahren von Kurven oder bei plötzlichen Ausweichmanövern, sondern auch Senkrechtschwingungen als Auswirkungen schlechter Straßenverhältnisse, Schütteln, Stoßen, Scheuern, Reiben und Drücken des Gutes.

Wenn sich der Frachtführer jedoch zur Ausführung des Transports trotz der offenkundigen Schadensquelle entschließt, hat er entsprechend seiner Obhutspflicht für eine Beseitigung der Gefahr - hier durch entsprechende Ladungssicherung - zu sorgen. Unterbleibt eine solche und ist dies kausal für den Schaden, trifft den Frachtführer die Haftung dafür. Der Umladefehler - die Ladung war ursprünglich beim Transport vom Absender zum Terminal der Beklagten in Wien ordnungsgemäß gegen Kippen gesichert - geht daher zu Lasten der Beklagten.

An die Sorgfalt des Frachtführers ist ein strenger Maßstab anzulegen und die äußerste zumutbare Sorgfalt zu verlangen.

Da der Klägerin der Nachweis qualifizierten Verschuldens der Beklagten iSd Art 29 CMR gelungen ist, bleibt der Beklagten eine Berufung auf die Haftungsbefreiung nach Art 17 Abs 4 lit b CMR verwehrt.

Nach der Rechtsprechung ist eine Schadensteilung nach Art 17 Abs 5 CMR bei einem durch ein Zusammenwirken von haftungsbegründendem Frachtführerverschulden und haftungsbefreienden Transportgefahren entstandenen Schaden bei Vorsatz oder einer diesem gleichstehenden (also grober) Fahrlässigkeit des Frachtführers ausgeschlossen.