13.05.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine - erst bei Vertragsende fällig werdende - vereinbarte "Einstandszahlung" für die Überlassung eines Kundenstocks gegen den Unabdingbarkeitsgrundsatz des § 27 Abs 1 HVertrG verstößt

Vereinbart der Unternehmer mit einem Tankstellenpächter eine bei Beendigung des Vertragsverhältnisses fällig werdende und neben der laufend entrichteten Pacht zu leistende Zahlung für die Übergabe eines bei Vertragsbeginn überlassenen Kundenstocks, die der Höhe nach etwa dem zu erwartenden Ausgleichsanspruch entspricht und die vom Unternehmer nur gefordert wird, wenn das Vertragsverhältnis durch Unternehmerkündigung endet, spricht diese Vertragsgestaltung dafür, dass Zweck der Vereinbarung war, den Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs 1 HVertrG in unzulässiger Weise zu beschränken


Schlagworte: Handelsvertreterrecht, Tankstellenpächter, Einstandszahlung für Kundenstock, Unabdingbarkeitsgrundsatz, Ausgleichsanspruch
Gesetze:

§ 27 Abs 1 HVertrG, § 24 HVertrG

GZ 3 Ob 212/09m, 24.02.2010

Der Kläger (Tankstellenpächter) vertritt die Auffassung, dass ein Handelsvertreter, der für die Überlassung des lebenden Unternehmens bereits laufend Pacht zahle, mit einer erst bei Vertragsende fällig werdenden "Einstandszahlung" für die Überlassung eines Kundenstocks nicht belastet werden könne, weil dadurch gegen den in § 27 Abs 1 HVertrG geregelten Unabdingbarkeitsgrundsatz verstoßen werde.

OGH: Vereinbart der Unternehmer mit einem Tankstellenpächter eine bei Beendigung des Vertragsverhältnisses fällig werdende und neben der laufend entrichteten Pacht zu leistende Zahlung für die Übergabe eines bei Vertragsbeginn überlassenen Kundenstocks, die der Höhe nach etwa dem zu erwartenden Ausgleichsanspruch entspricht und die vom Unternehmer nur gefordert wird, wenn das Vertragsverhältnis durch Unternehmerkündigung endet, spricht diese Vertragsgestaltung dafür, dass Zweck der Vereinbarung war, den Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs 1 HVertrG in unzulässiger Weise zu beschränken. Sprechen Indizien für die Verletzung des Unabdingbarkeitsgrundsatzes des § 27 Abs 1 HVertrG, hat der Unternehmer zu behaupten und zu beweisen, dass wegen besonderer, dem Handelsvertreter verschaffter Vorteile die Einstandszahlung nicht den verpönten Zweck verfolgt.

Ergibt das weitere Verfahren, dass eine Verletzung des Unabdingbarkeitsgrundsatzes des § 27 Abs 1 HVertrG nicht gegeben ist, wird zu berücksichtigen sein, dass das Vertragsverhältnis durch Kündigung der beklagten Partei dreieinhalb Jahre nach Vertragsbeginn endete. In diesem Fall wird, wenn nach Erörterung ein entsprechendes Vorbringen erstattet werden sollte, das Problem der Amortisation der Einstandszahlung zu untersuchen sein. Gingen die Vertragspartner gerade wegen der Einstandszahlung - so sie überhaupt wirksam vereinbart wurde - bei dem auf unbestimmte Zeit geschlossenen Vertrag gleichwohl von einer Vertragsdauer aus, die es dem Kläger ermöglichte, die Einstandszahlung ganz oder teilweise durch Provisionseinnahmen auszugleichen, läge, wenn die tatsächliche Vertragsdauer geringer ist, eine Regelungslücke vor, die mit den Mitteln ergänzender Vertragsauslegung zu schließen wäre. In diesem Fall könnte eine ergänzende Vertragsauslegung zum Ergebnis führen, dass der allenfalls in Anwendung des § 273 ZPO zu ermittelnde, nicht amortisierte Teil der Einstandszahlung nicht zu leisten ist.