20.05.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob die Verwendung teilweise unzulässiger AGB als Rechtsbruch iSv § 1 UWG den nach § 14 UWG klageberechtigten Konkurrenten einen Unterlassungsanspruch nach dem UWG gewährt

Die Verwendung unzulässiger AGB kann eine "sonstige unlautere Handlung" iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG darstellen und dem Konkurrenten einen Unterlassungsanspruch gewähren


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, unlautere Geschäftspraktiken, sonstige unlautere Handlung, Verwendung teilweise unzulässiger AGB, Rechtsbruch, Unterlassung
Gesetze:

§ 1 UWG, § 14 UWG

GZ 4 Ob 99/09a, 23.02.2010

OGH: Neben unlauteren Geschäftspraktiken nennt § 1 Abs 1 Z 1 UWG auch "sonstige unlautere Handlungen", wodurch - ausweislich der Materialien zur UWG-Novelle 2007 - sichergestellt werden soll, dass "über den neuen Begriff der 'unlauteren Geschäftspraktiken' hinaus alle unlauteren Handlungen erfasst werden, die auch bisher durch § 1 UWG idgF abgedeckt worden sind". Dabei hat der Unlauterkeitsmaßstab des § 1 Abs 1 Z 2 UWG iSe Verstoßes gegen die berufliche Sorgfalt auch bei Z 1 zur Anwendung zu gelangen. Da demnach jener Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt verlangt werden kann, bei dem billigerweise davon ausgegangen werden kann, dass ihn der Unternehmer gem den anständigen Marktgepflogenheiten in seinem Tätigkeitsbereich anwendet, ist auch ein Verhalten als unlauter zu werten, das im Gegensatz zu einem klaren Gesetzeswortlaut, zur offenkundigen Absicht des Gesetzgebers oder zu einer feststehenden höchstrichterlichen Judikatur steht.

Ist somit die Verwendung unzulässiger AGB als unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu qualifizieren, stellt sich die Frage, ob die Verletzung von § 879 Abs 3 ABGB nicht auch mit guten Gründen vertreten werden kann. Dies ist hier zu verneinen. Bei der vorzunehmenden Beurteilung, ob eine in AGB oder in einem Vertragsformblatt enthaltene Bestimmung eine "gröbliche" Benachteiligung des Vertragspartners bewirkt, hat sich der Rechtsanwender am dispositiven Recht als dem Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleichs zu orientieren. Nach stRsp können Abweichungen vom dispositiven Recht schon dann eine gröbliche Benachteiligung sein, wenn sich dafür keine sachliche Rechtfertigung ins Treffen führen lässt, jedenfalls aber dann, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht. Dieses auffallende Missverhältnis ist jedenfalls bei Verlangen/Verrechnen von Deinstallationsentgelt - nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit - im eigenen Interesse und ohne Gewährung jeglicher Gegenleistung gegeben. Die dadurch bewirkte Verletzung von § 879 Abs 3 ABGB kann deshalb nicht mit guten Gründen vertreten werden.

Um die Erheblichkeitsschwelle nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu überschreiten, muss eine unlautere Geschäftspraktik oder sonstige unlautere Handlung dazu geeignet sein, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen. Die Eignung eines Rechtsbruchs zur spürbaren Beeinflussung des Wettbewerbs kann sich - ausgehend vom Regelungszweck der verletzten Norm und von den typischen Auswirkungen des Rechtsbruchs - schon aus dem Normverstoß als solchem ergeben.

Dies trifft hier zu: Die Vereinbarung des Deaktivierungsentgelts verschafft der Beklagten eine in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht bessere Position und führt damit letztlich - iZm der Verrechnung dieses Entgelts - zu einer wirtschaftlichen Verbesserung zu Lasten der Mitbewerber.

Im Übrigen ist bei der Beurteilung der Auswirkungen von unlauteren Wettbewerbshandlungen auf das Marktgeschehen auch die Marktstärke eines Unternehmens zu berücksichtigen.