10.06.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage urheberrechtlicher Ansprüche iZm (im Internet) veröffentlichten Fotos, die Einrichtungsgegenstände allgemein zugänglicher Räume (darunter auch Werke der bildenden Kunst) wiedergeben

Für die Frage einer Rechtsverletzung kommt es zwar nicht isoliert auf die Bildgröße, wohl aber auf die grundsätzliche Erkennbarkeit des Werks in seiner konkreten verwerteten Gestalt an; ohne Bedeutung ist es hingegen, ob der Genuss des Werks in seiner verwerteten Gestalt allenfalls nach Anwendung weiterer technischer Hilfsmittel (zB Vergrößerung mittels digitaler Bildbearbeitungsprogramme) intensiviert werden könnte, weil die Beklagte grundsätzlich nur für ihr eigenes Verhalten einzustehen hat


Schlagworte: Urheberrecht, Vervielfältigungsrecht, Verbreitungsrecht, Zurverfügungstellungsrecht, im Internet veröffentlichte Fotos, Erkennbarkeit des Werks in seiner konkreten verwerteten Gestalt, sinnliche Wahrnehmbarkeit
Gesetze:

§ 15 UrhG, § 16 UrhG, § 18a UrhG

GZ 4 Ob 208/09f, 23.02.2010

Die klagende Künstlerin hat das Gemälde "Mozart Symphonie No 41" (Acrylfarbe auf Leinen, 120 x 160 Zentimeter) geschaffen. Sie gestattete der Beklagten, die ein Hotel in Wien betreibt, in deren Hotelräumlichkeiten eine befristete Verkaufsausstellung ihrer Gemälde zu veranstalten. Während der Ausstellung wurden Lichtbilder von den Räumlichkeiten des Hotels der Beklagten angefertigt und in weiterer Folge - ohne Zustimmung der Klägerin - auf die Homepage des Hotels gestellt. Auf zwei von zehn dieser Lichtbilder ist das eingangs näher beschriebene Gemälde der Klägerin im Hintergrund an der Wand hängend zu sehen.

Die Klägerin macht Rechtsverletzungen in Form nicht autorisierter Vervielfältigungsstücke (§ 15 UrhG) sowie Eingriffe in das Verbreitungsrecht (§ 16 UrhG) bzw das Zurverfügungsstellungsrecht (§ 18a UrhG) geltend.

OGH: Nach herrschender Auffassung muss zur Erlangung von Urheberrechtsschutz das Ergebnis der Gestaltung eines bestimmten Vorstellungsinhalts sinnlich (zB durch Worte, Bilder, Gebärden) wahrnehmbar werden. Gegenstand des urheberrechtlichen Schutzes ist nicht der dem Werk zugrunde liegende, noch ungeformte Gedanke als solcher, sondern nur die eigenpersönliche körperliche Formung und Festlegung einer schöpferischen Idee.

§ 15 UrhG ordnet dem Urheber das ausschließliche Recht zu, das Werk - gleichviel in welchem Verfahren und in welcher Menge - zu vervielfältigen.

Ein einzelnes Werkexemplar kann in körperlicher Form nur von einem verhältnismäßig kleinen Kreis an Lesern, Hörern oder Betrachtern wahrgenommen werden. Dieser Kreis vergrößert sich, wenn das Werk vervielfältigt wird und zahlreiche Vervielfältigungsstücke an die Öffentlichkeit gelangen. Damit vergrößert sich auch die Möglichkeit des Urhebers, hieraus herrührende Einnahmen zu erzielen. Das Vervielfältigungsrecht soll ihm eine Beteiligung an diesen Einnahmen sichern.

Die EB zum UrhG führen zum Begriff "Vervielfältigen" näher aus: "Ein Werk vervielfältigen heißt, es derart in der Fläche oder im Raum festlegen, dass das Festlegungsstück geeignet ist, das Werk den menschlichen Sinnen mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen". Zutreffend wird daraus der Schluss gezogen, dass erst dann von einem Vervielfältigungsstück gesprochen werden kann, wenn das Werk eine Verkörperung in einer konkreten Formgestaltung erfahren hat, die das Originalwerk unmittelbar oder jedenfalls mittelbar wahrnehmbar macht. Das Vervielfältigungsexemplar muss für zumindest einen menschlichen Sinn wahrnehmbar sein.

Mit dem Vervielfältigungsrecht in engem Zusammenhang steht das Verbreitungsrecht, erfolgt doch häufig die Vervielfältigung gerade zum Zweck der Verbreitung. Voraussetzung für die Verbreitung iSd § 16 UrhG ist es, dass körperliche Werkstücke im Original oder in Form einer Vervielfältigung in den Verkehr gebracht werden.

Nach der mit der UrhG-Nov 2003 neu geschaffenen Bestimmung des § 18a UrhG besitzt der Urheber das ausschließliche Recht, das Werk der Öffentlichkeit drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist ("Zurverfügungstellungsrecht"). Dieses Verwertungsrecht ist für das Internet und andere Netztechnologien von Bedeutung. Wer unbefugt Sprachwerke, Lichtbilder oder Filmwerke in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedert, verstößt gegen das Verwertungsrecht des § 18a UrhG. Dieses Verwertungsrecht knüpft nicht am individuellen Werkgenuss, sondern an der Werkvermittlung durch Dritte im Rahmen eines Stufensystems zur "mittelbaren Erfassung des Endverbrauchers" an.

Aus dem Schutzerfordernis der sinnlichen Wahrnehmbarkeit folgt, dass das Urheberrecht nur verletzt wird, wenn die schöpferischen Gestaltungselemente eines Werks übernommen werden. Dies gilt sinngemäß auch für die Verletzung der zuvor genannten Verwertungsrechte: Ein Verletzungstatbestand liegt erst dann vor, wenn das Werk in der verwerteten Form wahrnehmbar ist, also annähernd den sinnlichen Eindruck des Originalwerks in seinen wesentlichen schöpferischen Zügen vermittelt, mag es auch infolge Bearbeitung nicht dessen Originalgröße aufweisen.

Ob ein Eingriff vorliegt, muss im urheberrechtlichen Verletzungsprozess an Hand eines Vergleichs zwischen Originalwerk einerseits und Werkstück in der vervielfältigten/verbreiteten/zur Verfügung gestellten Form andererseits beurteilt werden.

Bei Aufruf der betreffenden Website der Beklagten ist das Gemälde der Klägerin (bei einer Wiedergabe des Bildschirminhalts im Format A 4) höchstens in einer Größe von 1,1 cm x 1,5 cm - also weniger als einem Hundertstel der Originalgröße - im Hintergrund des Raumes sichtbar. Unter diesen Umständen kann der Betrachter auf dem Lichtbild zwar gerade noch erkennen, dass an der Rückwand des abgebildeten Raumes ein Bild hängt; das Werk in der wiedergegebenen Form vermittelt ihm aber nicht einmal annähernd den sinnlichen Eindruck des Originalwerks in seinen wesentlichen schöpferischen Zügen, geschweige denn in Details der Darstellung. Selbst ein Betrachter, der das Originalwerk kennt, wird es infolge der winzigen Wiedergabe auf dem Lichtbild als Teil der Website nicht von anderen Bildern der Klägerin oder eines anderen abstrakten Künstlers unterscheiden können. Unter diesen Umständen kann von einer rechtsverletzenden Nutzung eines fremden Werks keine Rede sein.

Sinn und Zweck der dem Urheber exklusiv eingeräumten Nutzungsrechte ist es, dem Urheber ein Entgelt für diejenigen Nutzungshandlungen zu sichern, die darin bestehen, dass ein Werkgenuss durch Nutzungen des Originals erfolgt. Während das Original die Werknutzung nur durch einen relativ beschränkten Personenkreis ermöglicht, tritt durch Verwertungsvorgänge (wie zB die Vervielfältigung oder interaktive Sichtbarmachung des Werks) ein Multiplikationseffekt ein, werden doch zusätzliche Werknutzungsmöglichkeiten für einen sehr viel größeren Personenkreis eröffnet. Die Interessen des Urhebers werden dadurch gewahrt, dass Vervielfältigungen von seiner Zustimmung abhängig sind und er sie gegen Entgelt gestatten kann. Es können daher nur solche Handlungen als Rechtsverletzung beurteilt werden, die in irgendeiner Form die Verwertungsmöglichkeiten des Urhebers beeinträchtigen. Eine solche Handlung liegt unter den hier aufgezeigten Umständen nicht vor.

Die Revisionsrekurswerberin geht selbst zutreffend davon aus, dass es für die Frage einer Rechtsverletzung zwar nicht isoliert auf die Bildgröße, wohl aber auf die grundsätzliche Erkennbarkeit des Werks in seiner konkreten verwerteten Gestalt ankommt; daran mangelt es aber im Anlassfall. Ohne Bedeutung ist es hingegen, ob der Genuss des Werks in seiner verwerteten Gestalt allenfalls nach Anwendung weiterer technischer Hilfsmittel (zB Vergrößerung mittels digitaler Bildbearbeitungsprogramme) intensiviert werden könnte, weil die Beklagte grundsätzlich nur für ihr eigenes Verhalten einzustehen hat.