24.06.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Irreführende Geschäftspraktiken - § 2 Abs 1 Z 2 UWG und Auslegung der per-se-Verbote nach Z 2 und 4 des Anhangs zum UWG iZm Werbung mit altem Konsumententestergebnis

Auch ohne Vorhandensein neuer Testergebnisse wird ein durchschnittlich informierter Verbraucher die Werbung mit einem Testergebnis als Hinweis auf ein (einigermaßen) zeitnahes Testverfahren und nicht auf ein Verfahren verstehen, das bereits nahezu fünf Jahre zurückliegt


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, irreführende Geschäftspraktiken, Anhang, Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung, behördliche Bewilligung / Genehmigung, Werbung mit Spitzenstellung
Gesetze:

§ 2 Abs 1 Z 2 UWG, Z 2 und 4 des Anhangs zum UWG

GZ 4 Ob 159/09z, 20.04.2010

Der Kläger (VKI) begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, von ihr hergestellte Matratzen, insbesondere die Matratze "Sanovit Mystic", unter Bezugnahme auf das Ergebnis eines in der vom Kläger herausgegebenen Zeitschrift "Konsument" veröffentlichten Tests

a) derart zu bewerben, dass sie, etwa unter Abbildung eines Siegels mit der Aufschrift "Von insgesamt 19 getesteten Matratzen hat unser Modell Sanovit Mystic die beste Beurteilung erhalten. Konsument Testurteil: Gut", den unrichtigen Eindruck erweckt, ihre beworbene Matratze habe unter den getesteten Matratzen die beste Bewertung erhalten, wenn tatsächlich weitere getestete Matratzen eine gleich gute Bewertung erhalten haben wie die beworbene Matratze, insbesondere, wenn von 19 getesteten Matratzen 16 dasselbe Testurteil wie die beworbene Matratze der Beklagten, insbesondere das Testurteil "gut", und nur 2 Matratzen ein schlechteres Testurteil erhalten haben und die Beklagte darauf nicht in eindeutiger, unübersehbarer und unmissverständlicher Weise hinweist;

b) zu bewerben, ohne in eindeutiger, unübersehbarer und unmissverständlicher Weise darauf hinzuweisen, dass das Testergebnis bereits vor mehreren, etwa vor nahezu 5 Jahren ermittelt und erstmals veröffentlicht wurde.

OGH: Die Z 2 des Anhangs zum UWG schützt vor Irreführung durch die Verwendung von unternehmens- oder produktbezogenen Auszeichnungen, die der Verkehr deshalb als Hinweis auf eine besondere Güte und Qualität ansieht, weil sie aufgrund einer objektiven Prüfung vergeben werden. Unter die Z 2 des Anhangs zum UWG fallen nur Zeichen, die ausdrücklich verliehen werden und deren Verwendung von der Genehmigung der vergebenden Stelle abhängt; ob diese Sichtweise auch auf das hier gegenständliche Test-Emblem zutrifft, welches im Übrigen auch keine "Genehmigung" voraussetzt, kann offen bleiben, weil das angestrebte Unterlassungsgebot einen Verstoß gegen Z 2 des Anhangs nicht erfasst.

Zum behaupteten Verstoß gegen Z 4 des Anhangs bezieht sich die Klägerin auf einen in ihrem Medium veröffentlichten "Test". Ein reines Testergebnis wird von den Verkehrsteilnehmern jedoch regelmäßig nicht als "behördliche Bewilligung oder Genehmigung" verstanden. Die Verwendung des Test-Emblems durch die Beklagte stellte soweit keine als Behauptung der Bestätigung, Billigung oder Genehmigung des Produkts durch eine öffentliche oder private Stelle zu verstehende Aussage dar, sodass der Tatbestand der Z 4 des Anhangs zum UWG nicht erfüllt ist.

Seit der UWG-Novelle 2007 wird Werbung mit einer Spitzenstellung am Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 2 UWG gemessen. Sie ist wettbewerbsrechtlich nur dann zu beanstanden, wenn die - ernstlich und objektiv nachprüfbar behauptete - Spitzenstellung nicht den Tatsachen entspricht oder die Ankündigung sonst zur Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise geeignet ist.

Für die Ermittlung des Inhalts einer Werbeaussage wie auch für die Frage, ob sie danach zur Irreführung geeignet ist, ist entscheidend, wie der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Interessent für das Produkt die Werbeaussage versteht.

Die Vorinstanzen gehen zutreffend davon aus, dass der verständige Verbraucher das Test-Emblem derart auffasst, dass die Gesamtbewertung "Gut" nicht notwendig nur der beworbenen Matratze der Beklagten, sondern auch anderen getesteten Produkten zukommt, die Matratze der Beklagten jedoch insgesamt am besten bewertet wurde. Dies ergibt sich auch aus dem Umstand, dass diese Matratze die meisten "Pluspunkte" erhielt. Dieser Eindruck entspricht den Tatsachen und ist damit nicht zur Irreführung geeignet, zumal das Produkt der Beklagten auch an erster Stelle des Tests gereiht wurde.

Auch ohne Vorhandensein neuer Testergebnisse wird ein durchschnittlich informierter Verbraucher die Werbung mit einem Testergebnis als Hinweis auf ein (einigermaßen) zeitnahes Testverfahren und nicht auf ein Verfahren verstehen, das bereits nahezu fünf Jahre zurückliegt. Ob mittlerweile weitere Tests stattgefunden haben, ist nicht allein entscheidend. Die Irreführungseignung über die Aktualität des Testergebnisses ist daher ohne Rücksicht auf die - zwischen den Parteien nach dem festgestellten Sachverhalt ohnehin nicht vereinbarten - "Richtlinien" des Klägers gegeben.

Die Entscheidung des Senats zu 4 Ob 156/08g, wonach der Unternehmer, der mit für das beworbene Produkt günstigen Testergebnissen wirbt, nicht verpflichtet ist, Angaben zu einer (allenfalls) erfolgten Veröffentlichung der Testergebnisse zu machen, steht der Annahme einer Irreführungseignung im vorliegenden Fall nicht entgegen. Im vorliegenden Fall geht es nicht um die Frage, ob der Unternehmer Hinweise auf die Fundstellen der Testergebnisse machen muss. Entscheidend ist vielmehr, ob die tatsächlichen Angaben (un-)richtig bzw täuschungsgeeignet sind. Diese Täuschungseignung über die Aktualität des Testergebnisses ist im konkreten Fall (lang zurückliegender Test) bei Weglassen eines - deutlich erkennbaren - Hinweises auf den Zeitpunkt des vom Kläger vorgenommenen Matratzentests jedenfalls zu bejahen.

Die Täuschung über die (mangelnde) Aktualität des Testergebnisses ist auch geeignet, Marktteilnehmer in Bezug auf die beworbene Matratze derart zu täuschen, dass sie dazu veranlasst werden, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die sie andernfalls nicht getroffen hätten. Sie stellt eine irreführende Geschäftspraktik nach § 2 Abs 1 Z 2 UWG (Täuschung über die wesentlichen Merkmale von Tests oder Untersuchungen, denen das Produkt unterzogen wurde) dar.

Zur behaupteten Verletzung von Marken- bzw Namensrechten ist auf die zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichts zu verweisen, wonach dem Markeninhaber (nur) der kennzeichenmäßige Gebrauch seines Zeichens vorbehalten ist (17 Ob 1/08h). Im Übrigen steht nicht fest, dass der Kläger der Beklagten die Werbung mit dem Testergebnis nur unter Einhaltung seiner Werberichtlinien gestattete, sodass eine Verletzung dieser Richtlinien schon deswegen keinen Eingriff in ein allfälliges Namensrecht des Klägers begründen kann. Davon abgesehen ist die Verletzung von Namensrechten nicht vom angestrebten Titel umfasst, ist "Konsument" nicht der Name des Klägers und ist das Zitat einer Zeitschrift kein namensmäßiger Gebrauch zur Bezeichnung einer (Rechts-)Person.