08.07.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage der Zulässigkeit des Einwendungsdurchgriffs iSd Art 17 WechselG bei Vorliegen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts im Verhältnis zu dem die Wechselrechte in Anspruch nehmenden Wechselinhaber

Einwendungen aus dem Grundgeschäft können dem Wechselinhaber iSd Art 17 WG auch dann entgegen gehalten werden, wenn dieser in die der Wechselbegebung zugrunde liegenden Vereinbarungen derart eingebunden ist, dass nach dem verfolgten Geschäftszweck ein einheitliches Rechtsgeschäft vorliegt


Schlagworte: Wechselrecht, Einwendungsdurchgriff, einheitliches Rechtsgeschäft
Gesetze:

Art 17 WechselG

GZ 8 Ob 156/09p, 22.04.2010

OGH: Nach der Zielsetzung des Art 17 WechselG sollen die Einwendungsmöglichkeiten des in Anspruch genommenen Wechselschuldners im Interesse der Umlauffähigkeit des Wechsels beschnitten werden. Der Einwendungsausschluss zielt demnach auf die Verkehrssicherheit eines in die Hände eines Dritten gelangten Wechsels ab. Ausgeschlossen sind somit nur solche Einwendungen, die auf Beziehungen zu Dritten beruhen. Einwendungen aus der unmittelbaren Rechtsbeziehung zwischen dem den Anspruch erhebenden Wechselinhaber und dem Beklagten sind nach stRsp aber zulässig. Solange sich der Gläubiger und der Schuldner des Grundgeschäfts gegenüberstehen, darf der Wechselschuldner dem Wechselgläubiger alles entgegensetzen, was er aus diesem Geschäft einwenden kann.

Liegt aus Sicht der an den Vereinbarungen Beteiligten einschließlich des den Anspruch geltend machenden Wechselinhabers nach dem verfolgten Geschäftszweck ein einheitliches Rechtsgeschäft vor, so stehen sich im Wechselprozess in materieller Hinsicht ebenfalls die Parteien des Grundgeschäfts gegenüber. In diesem Fall entspricht es den allgemein anerkannten Grundsätzen, dass die Einwendungen aus dem Grundgeschäft der Wechselforderung entgegengehalten werden können.

Baumbach/Hefermehl/Casper führen aus, dass die Grundvoraussetzung für einen Einwendungsausschluss erst vorliege, wenn ein der Funktion des Wechsels entsprechender Umlauf stattgefunden habe. Auch wenn eine Wechselforderung wechselmäßig übertragen werde, sei ein Einwendungsausschluss dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn die Indossierung nicht dem Umlaufzweck diene und der Erwerber daher keinen Verkehrsschutz verdiene. Dies sei der Fall, wenn tatsächlich kein Dritterwerb vorliege, dem der Schutz des Art 17 zukomme, und es an einem Verkehrsgeschäft fehle. Ähnlich vertreten Grüninger/Hunziker/Roth die Ansicht, dass der Einredenausschluss erst dann aktuell werde, wenn ein wechselmäßiger Erwerb stattgefunden habe. Dafür seien Zurechenbarkeit der wechselrechtlichen Erklärung, Verkehrsschutzbedürfnis und subjektive Schutzwürdigkeit des Erwerbers vorausgesetzt. Auch wenn das Indossament nicht dem Umlaufzweck diene und den Verkehrsschutz gar nicht verdiene, entfalle der Einredenausschluss. Nach Hueck/Canaris fehlt es bei einer wirtschaftlichen Personengleichheit zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber des Wechsels an einem echten Verkehrsgeschäft.

In seiner Entscheidung vom 21. April 1998, XI ZR 239/97, hat der BGH diese Grundsätze übernommen.

Das Kriterium des fehlenden Umlaufzwecks der zugrunde liegenden Wechsel ist im vorliegenden Fall gegeben. Nach den Feststellungen stand der Forderungsabtretung an die Klägerin keine entsprechende Forderung der Klägerin gegen ihren Ehegatten gegenüber. Die hinter der Schenkung stehende Grundlage der Abtretung bestand allein im nichtigen Vertrag vom 30. 6. 1997. Dem Berufungsgericht ist daher zuzustimmen, dass der mehrfachen Wechselbegebung bis hin zur Klägerin keine unterschiedlichen Grundgeschäfte zugrunde gelegen waren. Die Klägerin war in das abgeschlossene Rechtsgeschäft auch in prominenter Weise eingebunden. Die Initiative zum Erwerb der AG durch die Erstbeklagte ging von ihr aus. Die vom Zweitbeklagten hinterfragte Wechselkonstruktion wurde von ihr als in der Schweiz notwendig verteidigt. Sämtliche Vertrags- und Wechselerklärungen wurden in ihrer Anwesenheit abgegeben. Nach diesem Tatsachensubstrat war die Klägerin am zugrunde liegenden Rechtsgeschäft federführend beteiligt und in die Erklärungen in materieller Hinsicht gleich einer Vertragspartei eingebunden. In Ansehung der Rechtsstellung der Klägerin ist der Vertrag vom 30. 6. 1997 somit als einheitliches Rechtsgeschäft und damit als ein- und dasselbe Grundgeschäft zu beurteilen. Das Verkehrsschutzbedürfnis der Klägerin ist damit zu verneinen.

Entgegen der Argumentation der Klägerin muss nicht auf ein bewusst nachteiliges Handeln des Wechselinhabers zu Lasten des Schuldners beim Erwerb des Wechsels oder auf eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Wechsels zurückgegriffen werden.

Den aus den Wechseln und den Indossamenten haftenden Beklagten stehen gegenüber der Klägerin somit sämtliche Einwendungen aus dem Grundgeschäft zu. Zufolge Nichtigkeit des Vertrags vom 30. 6. 1997 sind die geltend gemachten Wechselforderungen nicht begründet.