22.07.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Abänderung eines Logos - zum Umfang der Befugnis des Werknutzungsberechtigten

Der Umfang des in § 21 Abs 1 UrhG normierten Änderungsrechts ist im Rahmen einer Abwägung der Interessen zwischen dem Werkschutz als Urheberpersönlichkeitsrecht und dem Gebrauchsinteresse des Nutzungsberechtigten va an Hand der Kriterien der Art und Intensität des Eingriffs, der Gestaltungshöhe des Werks (seines künstlerischen Rangs) und seines konkreten Gebrauchszwecks zu bestimmen; bei für die Werbung geschaffenen Werken fallen die finanziellen und betriebswirtschaftlichen Interessen der Nutzungsberechtigten besonders ins Gewicht; Sinn und Wesen des benutzten Werks dürfen durch die Änderung jedoch auf keinen Fall entstellt werden


Schlagworte: Urheberrecht, Werknutzungsberechtigter, Werkschutz, Logo, Abänderung ohne Zustimmung des Urhebers
Gesetze:

§ 21 UrhG

GZ 4 Ob 49/10z, 11.05.2010

Der Kläger begehrt, der Beklagten aufzutragen, es ab sofort zu unterlassen, die vom Kläger geschaffene Wort-Bild-Marke ohne vorherige Zustimmung des Klägers in einer der Öffentlichkeit zugänglichen Art selbst oder durch Dritte in veränderter Form, insbesondere in veränderter Farbgebung, zu verwenden. Der Kläger habe der Beklagten nur das Recht eingeräumt, die von ihm geschaffene Wort-Bild-Marke zur Gestaltung von Drucksorten und Verpackungen zu verwenden. Die Beklagte habe das Logo eigenmächtig durch Austausch der Hintergrundfarbe verändert und verwende es in abgeänderter Form für ihren Marktauftritt. Der vom Kläger gewählte Farbton stehe für Natur, Frische, Gesundheit und Vertrauen und besitze eine besondere Strahlkraft, während der abgeänderte Farbton warm, passiv, zurückhaltend, dunkel, schwer, satt, behäbig und stumpf sei. Der ohne Zustimmung des Klägers erfolgte Austausch der Hintergrundfarbe sei ein Eingriff in die Werkintegrität und verletze § 21 Abs 1 UrhG.

OGH: Nach § 21 Abs 1 UrhG dürfen auch von dem zur Werknutzung Berechtigten an dem Werk selbst, an dessen Titel oder an der Urheberbezeichnung keine Kürzungen, Zusätze oder andere Änderungen vorgenommen werden, soweit nicht der Urheber einwilligt oder das Gesetz die Änderung zulässt. Zulässig sind insbesondere Änderungen, die der Urheber dem zur Benutzung des Werks Berechtigten nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen nicht untersagen kann, namentlich Änderungen, die durch die Art oder den Zweck der erlaubten Werknutzung gefordert werden.

Diese dem Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts dienende Vorschrift soll verhindern, dass ein Werk - außerhalb der gesetzlichen Ausnahmen - der Öffentlichkeit in einer anderen Form dargeboten wird, als dies dem Willen des Urhebers entspricht. Das Änderungsverbot wirkt gegen jedermann, also namentlich auch gegen die Personen, die das Recht erworben haben, das Werk auf eine dem Urheber vorbehaltene Art zu benutzen. Die Gewährung des Rechts, ein Werk zu nutzen, erstreckt sich im Zweifel somit nicht auf Bearbeitungen; die "Weiterentwicklung" eines (wenn auch vollendeten) Werks durch seinen Besteller ist mangels gegenteiliger Vereinbarung unzulässig.

Nach den Gesetzesmaterialien wäre ein starres Festhalten am Änderungsverbot auch im Falle der vertragsmäßigen Einräumung von Werknutzungsrechten mit der Auslegungsregel des § 914 ABGB nicht vereinbar, dass Verträge so zu verstehen sind, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht; Gleiches gilt für freie Werknutzungen [vgl § 57 Abs 1 UrhG]. In beiden Fällen werden die Art und der Zweck der erlaubten Werknutzung eine große Rolle spielen. Hienach notwendige Änderungen werden nach den den redlichen Verkehr beherrschenden Grundsätzen stets als erlaubt anzusehen sein.

Der Verweis in § 21 Abs 1 UrhG auf die für die Auslegung von Verträgen maßgebende Vorschrift des § 914 ABGB macht deutlich, dass die Zulässigkeit von Änderungen bei einer Nutzung auch im Hinblick auf den Inhalt der geschlossenen Vereinbarung - unter Berücksichtigung der Verkehrssitte - zu prüfen ist. Bei der Beurteilung wird auch der Gestaltungsgrad und die Art des betreffenden Werks zu berücksichtigen sein.

Der Senat hat es für zulässig erachtet, dass das Logo eines Fitnessstudios auch ohne Zustimmung des Urhebers vom Werknutzungsberechtigten durch einen - nicht in den Vordergrund tretenden - Zusatz, der auf einen eingetretenen Eigentümerwechsel hinweist, geringfügig und behutsam ergänzt wird. Unternehmenskennzeichen (zu denen auch Logos zählen) sind geschäftliche Individualisierungsmittel, die ihrem Inhaber dazu dienen, sein Unternehmen, seine Waren oder Leistungen von andern Unternehmern und deren Angebot abzuheben. Dem Abnehmer werden Signale geliefert, die es ihm ermöglichen, sich in der Fülle verschiedener Waren und Leistungen zurechtzufinden und ohne nähere Prüfung diejenige zu wählen, mit der er bisher gute Erfahrungen gemacht hat oder (etwa aufgrund der Werbung) zu machen hofft. Geschäftliche Kennzeichen können deshalb für ihren Inhaber einen erheblichen wirtschaftlichen Wert verkörpern, insbesondere dann, wenn das Publikum mit dem Zeichen günstige Erwartungen verknüpft. Es ist deshalb im Fall eines Eigentumswechsels - ähnlich wie im Firmenrecht - zulässig, im Fall der Übernahme eines bestehenden Logos dieses geringfügig und behutsam durch einen Hinweis auf den Eigentümerwechsel zu ergänzen, weil dies durch die Art und den Zweck der erlaubten Werknutzung (nämlich der Verwendung des Logos als Unternehmensbezeichnung im geschäftlichen Verkehr) gefordert wird. Eine derartige Veränderung bedarf gem § 21 Abs 1 zweiter Satz UrhG nicht der Zustimmung des Urhebers.

Es ist nicht möglich, den Umfang des in § 21 Abs 1 UrhG normierten Änderungsrechts, also jener Änderungen, die der Urheber dem zur Nutzung des Werks Berechtigten nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen nicht untersagen kann, nach generell abstrakten Kriterien zu bestimmen. Es bedarf einer Interessensabwägung im Einzelfall zwischen dem Werkschutz als zentraler Bestimmung des Urheberpersönlichkeitsrechts und dem Gebrauchsinteresse des Nutzungsberechtigten, bei der va auf die Kriterien der Art und Intensität des Eingriffs, der Gestaltungshöhe des Werks (seines künstlerischen Rangs) und seines konkreten Gebrauchszwecks Bedacht zu nehmen ist.

Jede Nutzung stellt ein Werk in einen technisch-ökonomischen Gebrauchszusammenhang, der die Erhaltung der ursprünglichen Werkgestalt in ihrer absoluten Reinheit in den seltensten Fällen erlaubt. Der Gebrauchszweck eines Werks tritt umso deutlicher hervor, je mehr das Werk nicht nur dem künstlerisch-ästhetischen Genuss, sondern auch praktischen Zwecken dient. Da der Urheber bei der Verwertung seines Werks in der Regel auf die Mithilfe von Werknutzern angewiesen ist, müssen deren Nutzungs- und Gebrauchsinteressen sowie die Sachzwänge im Rahmen der Interessensabwägung gebührend berücksichtigt werden.

Eine besondere Interessenlage besteht im Bereich der für die Werbung geschaffenen Werke. Stärker als in anderen Bereichen sind hier die finanziellen und betriebswirtschaftlichen Interessen der Nutzungsberechtigten, die sich auf täglich veränderte Situationen einstellen müssen, zu berücksichtigen. Auch in diesem Bereich sind jedoch vom Nutzungszweck nicht gedeckte willkürliche, insbesondere von rein ästhetisch-künstlerischen Erwägungen geleitete Eingriffe in das Werk dem Urheber in der Regel nicht zumutbar. Sinn und Wesen des benutzten Werks dürfen auf keinen Fall entstellt werden (dies gilt gem § 21 Abs 3 UrhG auch bei Einwilligung des Urhebers zur Änderung sowie gem § 57 Abs 1 UrhG bei freier Werknutzung).

Das vom Kläger geschaffene Logo ist unstrittig eine eigentümliche geistige Schöpfung, also ein Werk der bildenden Künste iSd § 3 UrhG, und zwar in Form einer Gebrauchsgrafik. Es verkörpert als geschäftliches Kennzeichen einen erheblichen wirtschaftlichen Wert für die nutzungsberechtigte Beklagte und dient nach dem vertraglich vereinbarten Zweck dem Marktauftritt der Beklagten, also deren Werbung im weiteren Sinn. Die vorgenommene Änderung des Logos betrifft allein den Farbton der Hintergrundfarbe (dünkleres Blau als beim Original), lässt jedoch den wesentlichen gestalterischen Kern des Logos (stilisierter weißer Berg, gelbe Sonne und weißes Firmenschlagwort vor blauem Hintergrund) unberührt und bewirkt keine Entstellung des Werks. Die Änderung erfolgte im Zuge eines neuen Werbekonzepts der Beklagten, die sich durch die dunklere Hintergrundfarbe eine deutlichere Unterscheidung von anderen Produkten auf dem Markt erhoffte und diente demnach finanziellen und betriebswirtschaftlichen Interessen der Nutzungsberechtigten, die auf geänderte Marktbedingungen reagiert hat.

Unter diesen Umständen überwiegen die Interessen der beklagten Werknutzungsberechtigten an der Veränderung des Logos, handelt es sich dabei doch um einen behutsamen Eingriff in ein Werk geringerer Gestaltungshöhe, der durch Art und Zweck der vertraglich eingeräumten Werknutzung erforderlich geworden ist. Dem Berufungsgericht ist daher zuzustimmen, dass diese Veränderung durch den Ausnahmetatbestand des § 21 Abs 1 zweiter Satz UrhG gedeckt ist und deshalb keiner Zustimmung des Urhebers bedarf.