22.07.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: § 24 Abs 3 Z 2 HVertrG - muss der wichtige Grund in der Auflösungserklärung bekannt gegeben werden?

Der wichtige Grund muss in der Auflösungserklärung nicht bekannt gegeben werden; der Unternehmer kann solche Gründe, selbst wenn sie ihm zum Zeitpunkt der Auflösungserklärung noch nicht bekannt gewesen sind, nachschieben


Schlagworte: Handelsvertreterrecht, vorzeitige Auflösung durch Unternehmer, wichtiger Grund, Ausgleichsanspruch
Gesetze:

§ 24 Abs 3 Z 2 HVertrG, § 22 HVertrG

GZ 9 ObA 43/10d, 11.05.2010

OGH: Die Frage, was als wichtiger Grund für die Auflösung eines Handelsvertretervertrags anzusehen ist, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Als genereller Maßstab für das Vorliegen eines wichtigen Auflösungsgrundes sind Vertragsverletzungen anzusehen, die bei Zielschuldverhältnissen zum Rücktritt nach § 918 Abs 1 und § 920 erster Satz ABGB berechtigten, ferner Verhaltensweisen, die nach den für bestimmte Dauerschuldverhältnisse normierten Beendigungstatbeständen eine fristlose Auflösungserklärung gestatten sowie Umstände, die eine Berufung auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage zulassen. Für Handelsvertreter sind als Richtschnur die in § 22 HVertrG demonstrativ aufgezählten Gründe maßgeblich, die einzelvertraglich erweitert bzw ergänzt werden können.

Die Verteilung der Beweislast zur Verschuldensfrage durch das Berufungsgericht stellt keine Verkennung der Rechtslage dar. In der Entscheidung 9 ObA 59/09f sprach der erkennende Senat aus, dass es zwar am Unternehmer liege, die Tatsache der Vertragsverletzung des Handelsvertreters zu behaupten und zu beweisen, dass aber das erwiesene vertragswidrige Verhalten des Handelsvertreters dessen Verschulden gem § 1298 ABGB indiziere.

Schließlich hält sich auch die Ansicht des Berufungsgerichts, wonach der wichtige Grund in der Auflösungserklärung nicht bekannt gegeben werden müsse und der Unternehmer solche Gründe, selbst wenn sie ihm zum Zeitpunkt der Auflösungserklärung noch nicht bekannt gewesen seien, nachschieben könne, im Rahmen der Rsp. In der Entscheidung 8 ObA 5/04z gelangte der OGH - zu der auch von der Klägerin ihren Überlegungen zugrunde gelegten Sonderregel des § 24 Abs 3 Z 1 HVertrG - zum Ergebnis, dass in der Kündigung weder der wichtige Grund noch der Umstand angegeben werden müsse, dass aus wichtigem Grund gekündigt werde. Zudem wird in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass in der deutschen Lehre mit gewichtigen Argumenten die These vertreten werde, dass der wichtige Grund zum Kündigungszeitpunkt nur vorgelegen, dem Vertreter aber nicht bekannt gewesen sein müsse und daher auch nachgeschoben werden könne. In der Entscheidung 9 ObA 2/04s sprach der erkennende Senat aus, dass - von ausdrücklichen Ausnahmen abgesehen - der österreichischen Rechtsordnung nicht zu entnehmen sei, dass Kündigungen oder vorzeitige Auflösungen von Vertragsverhältnissen schon im Zeitpunkt der Auflösungserklärung ausdrücklich begründet werden müssten, zumal eine solche Begründungspflicht dem allgemein anerkannten Nachschieben von Kündigungs- oder Auflösungsgründen entgegenstehe.