12.08.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Der Erzeuger als Erfüllungsgehilfe des Händlers?

Wer nach dem Inhalt des Kaufvertrags nicht zur Herstellung der Kaufsache verpflichtet ist, haftet nicht für jedes Verschulden des Produzenten, der Erzeuger ist nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers; von diesem Grundsatz kann nur in besonderen Fällen abgewichen werden


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Erfüllungsgehilfe, Erzeuger, Kaufvertrag, Werkvertrag
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1313a ABGB, §§ 1165 ff ABGB

GZ 2 Ob 10/10z, 17.06.2010

OGH: Wer nach dem Inhalt des Kaufvertrags nicht zur Herstellung der Kaufsache verpflichtet ist, haftet nicht für jedes Verschulden des Produzenten, der Erzeuger ist nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers.

Von diesem Grundsatz wurde nur in besonderen Fällen abgewichen: Hat ein Werkunternehmer nach vertraglichen Absprachen nicht nur eine bestimmte Werkleistung zu erbringen, sondern dafür auch ein nach deren Zweck erforderliches und geeignetes Produkt eines selbständigen und weisungsfreien Dritten bereitzustellen, und bezieht er diesen Dritten unmittelbar in die Erbringung der werkvertraglichen Erfüllungshandlung (Erfüllungshandlungen) ein, so bedient er sich dieses Dritten zur Erfüllung seiner Leistungspflicht (Leistungspflichtigen) und hat daher für dessen Verschulden wie für sein eigenes einzustehen. Das gilt auch dann, wenn der unter unmittelbarer Anleitung und Kontrolle des Dritten ausgeführte Teil der Erfüllungshandlung (Erfüllungshandlungen) wegen einer Verletzung von Aufklärungspflichten eine Schädigung des Werkbestellers verursachte (1 Ob 265/03g).

Im Gegensatz dazu liegt im vorliegenden Fall kein Werkvertrag vor. Weiters war in 1 Ob 265/03g die Erzeugerin eines bestimmten (letztlich ungeeigneten) Dichtungssystems bei den Arbeiten des beklagten Werkunternehmers im Hotel des klagenden Werkbestellers intensiver als im vorliegenden Fall involviert. Sie überwachte nämlich durch ihren Außendienstmitarbeiter die Arbeiten des Beklagten und erklärte dem Beklagten dabei "die Anwendung des Systems". Der 1. Senat führte aus, die Erzeugerin des Dichtungssystems sei aufgrund ihrer offenkundigen Heranziehung durch den Beklagten unmittelbar in dessen werkvertragliche Erfüllungshandlung eingebunden gewesen. Diese Sachverhaltsvariante sei der Verarbeitung des Vorprodukts eines Lieferanten durch den Werkunternehmer nach einer allgemeinen schriftlichen Anleitung ohne Beteiligung des Lieferanten an der werkvertraglichen Erfüllungshandlung nicht gleichzusetzen.

In 5 Ob 92/07a bejahte der OGH die Erfüllungsgehilfeneigenschaft der Nebenintervenientin ua deshalb, weil sie nicht etwa nur (wie im vorliegenden Fall) zur Beschaffung und Lieferung des Natursteins an die Beklagte zwecks Weiterverkaufs an den Kläger beigezogen worden sei, sondern ganz spezifisch auch der Erfüllung der von der Beklagten dem Kläger geschuldeten Aufklärungs- und Informationsaufgaben zur Produktauswahl, und zwar für das Gesamtkonzept für die Inneneinrichtung des Hauses des Klägers gedient habe.