19.08.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob der Verkauf der Sacheinlage vor Erstattung der Anmeldungen nach § 151 Abs 1, § 155 Abs 1 AktG der Eintragung der Kapitalerhöhung entgegensteht

Werterhaltende Verfügungen über erbrachte Sach- und Bareinlagen vor Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung sind zulässig, wenn dem erhöhten Nennkapital zumindest im Zeitpunkt der Anmeldung auch tatsächlich ein entsprechender Wert im Gesellschaftsvermögen gegenübersteht; die freie Verfügbarkeit des wertersetzenden Kapitals ist bei der Anmeldung durch die Vorlage einer aktuellen Bestätigung eines Kreditinstituts nachzuweisen


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, AG, Eintragung der Kapitalerhöhung, Anmeldung und Prüfung des Beschlusses / der Durchführung, Verkauf der Sacheinlage vor Erstattung der Anmeldungen, wertersetzendes Kapital
Gesetze:

§ 151 Abs 1 AG, § 155 Abs 1 AG

GZ 6 Ob 108/09i, 24.06.2010

OGH: Für die Anmeldung der Durchführung einer Kapitalerhöhung der AG zur Eintragung im Firmenbuch gelten nach § 155 Abs 2 AktG § 28 Abs 2, § 28a und § 29 Abs 1 AktG sinngemäß. Die Anmeldung darf nach § 28 Abs 2 Z 2 AktG erst erfolgen, wenn Vermögensgegenstände, die nach der Satzung als Sacheinlagen zu leisten sind, zur freien Verfügung des Vorstands stehen. Gem § 29 Abs 1 AktG ist in der Anmeldung die Erklärung abzugeben, dass die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 und des § 28a AktG erfüllt sind.

Nach hL müssen die Voraussetzungen des § 28 Abs 2 AktG im Zeitpunkt der Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung vorliegen, zumal Zweck dieser Bestimmung die effektive Aufbringung des Grundkapitals und die Verhinderung von bloß zum Schein durchgeführten oder temporär beabsichtigten Einlageleistungen, die nach der Anmeldung wieder zurückerstattet werden sollen, sind und gem § 156 AktG erst die Eintragung der Durchführung der Erhöhung des Grundkapitals konstitutiv wirkt.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Sacheinlage ist für das Gericht grundsätzlich der Tag der Anmeldung zum Firmenbuch nach § 151 AktG; unabhängig von dieser Prüfung hat das Gericht das Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen nach § 151 Abs 3 AktG auch bei Eintragung der Durchführung der Kapitalerhöhung (§ 155 AktG) erneut und ohne Bindung an sein vorheriges Prüfergebnis zu prüfen. Das Gericht kann sich bei seiner eigenständigen Prüfung auf die bei Anmeldung eingereichten Unterlagen und abgegebenen Erklärungen grundsätzlich verlassen, hat jedoch Unvollständigkeiten, Widersprüchlichkeiten und allenfalls ihm zwischenzeitig bekannt gewordene, insbesondere wertmindernde Tatsachen aufzugreifen.

Den Vorinstanzen ist daher beizupflichten, dass die Erklärungen und Nachweise über die freie Verfügbarkeit der Einlagen nicht, wie es dem Standpunkt des Revisionsrekurses entspräche, nur für die Vergangenheit gültig sein müssen, sondern aktuell den Tatsachen zu entsprechen haben.

Ist ein Kapitalerhöhungsbetrag als Bareinlage zu leisten, werden Verfügungen darüber vor Anmeldung dann für zulässig erachtet, wenn sie werterhaltend sind und weder den Tatbestand einer Rückgewähr, noch den einer verdeckten Sacheinlage erfüllen.

Werterhaltende Verfügungen über erbrachte Sacheinlagen vor Anmeldung der Durchführung der Kapitalerhöhung begegnen aus dem Blickwinkel der realen Kapitalaufbringung grundsätzlich keinen gravierenderen Bedenken als vorzeitige, ebenfalls werterhaltende Verfügungen über Bareinlagen. Wesentlich ist in beiden Fällen, dass dem erhöhten Nennkapital zumindest im Zeitpunkt der Anmeldung auch tatsächlich ein entsprechender Wert im Gesellschaftsvermögen gegenübersteht.

Dies gilt auch bei vorzeitiger Veräußerung der Sacheinlage gegen Geld. Die Eintragung einer derartigen Kapitalerhöhung bleibt auch vom Beschluss der Hauptversammlung gedeckt, weil die ausschließliche Sacheinlageverpflichtung im Innenverhältnis genauso unberührt bleibt wie die Verpflichtung des Einbringers zur baren Deckung einer allfälligen Wertdifferenz.

Im gegenständlichen Verfahren entsprach die Erklärung der Anmelder, die eingebrachte Beteiligung stehe in der freien Verfügung des Vorstands, zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht mehr den Tatsachen. Die Eintragungsfähigkeit der Kapitalerhöhung aufgrund der verbesserten Erklärungen über die freie Verfügbarkeit des Kaufpreises, des Gewinnanteils und der Aufzahlung des Alleinaktionärs kann aber nur dann den Voraussetzungen des § 29 Abs 1 AktG genügen, wenn das Vorhandensein des Gegenwerts im für die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung maßgeblichen Zeitpunkt, jedenfalls bei Anmeldung, hinreichend nachgewiesen wird. Dieses Bedürfnis wird umso augenfälliger, wenn - wie im vorliegenden Fall - allein zwischen der Wiederveräußerung der Sacheinlage und der Anmeldung der Kapitalerhöhung bereits mehr als ein Jahr verstrichen ist.

Nach § 29 Abs 1 S 3 AktG, der mit GesRÄG 2004 explizit als Ausgleich für die eingeschränkte externe Gründungsprüfung, ähnlich den Bestimmungen des GmbH-Rechts, gefasst wurde, ist der Nachweis der freien Verfügung über eingezahlte Barbeträge durch die schriftliche Bestätigung eines Kreditinstituts zu führen. Vom eingezahlten Betrag beglichene Abgaben, Kosten und Gebühren sind gesondert zu belegen. Aus dem Blickwinkel der Sicherung der realen Kapitalaufbringung und des Ausschlusses einer Einlagenrückgewähr besteht kein Anlass, bei vorzeitiger Veräußerung der Sacheinlage einen geringeren Maßstab der Nachweispflicht für das Vorhandensein des wertersetzenden Kapitals anzulegen. Den Vorinstanzen ist daher beizupflichten, dass auch hinsichtlich dieses Kapitalsbetrags (abzüglich allfälliger Gebühren, Kosten und Abgaben iSd § 29 Abs 1 AktG) die freie Verfügbarkeit durch die Bestätigung eines Kreditinstituts nachzuweisen gewesen wäre.