02.09.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Anhebung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 3 MRG - Wechsel der Machverhältnisse und Anzeigepflicht

Die Anzeige muss sich grundsätzlich auf den anspruchsrelevanten Tatbestand beziehen, um die Rechtsfolge der sechsmonatigen Präklusivfrist (§ 12a Abs 2 Satz 1 MRG) auszulösen; nur bei einer völlig sicheren zukünftigen Änderung der Einflussmöglichkeit lässt die Judikatur eine "Vorausanzeige" genügen und verzichtet auf eine weitere Anzeige; lag zum Anzeigezeitpunkt gar kein anhebungsrelevanter Tatbestand iSd § 12a Abs 3 MRG vor, könnte auch ein (gemeinsamer) Irrtum der Parteien des Mietvertrags nicht das Recht der Vermieterin auf Anhebung des Hauptmietzinses auslösen


Schlagworte: Mietrecht, Veräußerung und Verpachtung eines Unternehmens, Wechsel der Machverhältnisse, Anzeigepflicht, Schadenersatzrecht
Gesetze:

§ 12a MRG, §§ 1295 ff ABGB

GZ 1 Ob 73/10g, 01.06.2010

OGH: Voraussetzung für eine Anhebung des Hauptmietzinses nach § 12a Abs 3 MRG ist eine Änderung der Einflussmöglichkeit innerhalb der betroffenen Mietergesellschaft, die kumulativ sowohl für den rechtlichen als auch für den wirtschaftlichen Bereich gegeben sein muss. Ein derartiger Machtwechsel in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht wird grundsätzlich dann bejaht, wenn es zum "Kippen der Mehrheitsverhältnisse" gekommen ist. Bei einer KG wird eine entscheidende Änderung der rechtlichen und wirtschaftlichen Einflussmöglichkeiten schon dann angenommen, wenn der persönlich haftende Gesellschafter ausgetauscht wird oder sich die Beteiligungsverhältnisse bei den kraft Gesetzes geschäftsführungsbefugten Komplementären entscheidend verschieben. Das beruht auf der Überlegung, dass bei den Personengesellschaften des Handelsrechts der persönlich haftende Gesellschafter wegen des Grundsatzes der Einzelgeschäftsführungsbefugnis auf die Geschäftstätigkeit im gesetzestypischen Fall immer einen bestimmenden Einfluss ausübt. Eine Änderung bei den Kommanditisten bewirkt aber keinen Machtwechsel.

Richtig ist zwar, dass bei der beklagten Mietergesellschaft die drei Kommanditisten mit den drei Gesellschaftern der Komplementär-GmbH ident waren und ihr jeweiliger Anteil an der GmbH & Co KG dem Geschäftsanteil an der GmbH entsprach. Diese Gleichschaltung sollte durch die Gesellschaftsverträge insoweit garantiert werden, als diese den Übergang von Geschäftsanteilen an der GmbH nur im Fall des Übergangs der Gesellschaftsanteile an der GmbH & Co KG im gleichen Verhältnis zuließen und einen Kommanditisten im Fall seines Ausscheidens aus der GmbH & Co KG oder deren Kündigung zur Übertragung auch seines Geschäftsanteils an die Erwerber des Kommanditgesellschaftsanteils im gleichen Verhältnis verpflichteten. Dementsprechend hat der Kommanditist, der die Personengesellschaft zum 31. 3. 2000 aufkündigte, auch angekündigt, seiner Verpflichtung, den Gesellschaftsanteil an der Komplementär-GmbH an die beiden verbleibenden Kommanditisten oder an einen von diesen namhaft gemachten Dritten abzutreten, zu entsprechen.

Entgegen der Auffassung der Revisionswerber war daher zum Zeitpunkt der Kündigung noch keinesfalls völlig klar, dass sich der 50%ige Anteil einer verbleibenden Gesellschafterin an der GmbH erhöhen und dies zu einem Kippen der Mehrheitsverhältnisse führen würde: Die gesellschaftsvertraglichen Regelungen sehen eindeutig auch die Übertragung von Gesellschaftsanteilen an dritte Personen im Falle des Ausscheidens eines Kommanditisten oder der Kündigung der Personengesellschaft durch einen Kommanditisten vor. Wird aber im letzteren Fall der Geschäftsanteil des kündigenden Kommanditisten an der Komplementär-GmbH an einen Dritten übertragen, schließt der in den Gesellschaftsverträgen vorgeschriebene "Gleichklang" ein endgültiges Anwachsen des Kommanditanteils des ausscheidenden Kommanditisten zu Gunsten der verbleibenden Gesellschafter der GmbH & Co KG aus. Gerade dies zeigt, dass eine iSd § 12a Abs 3 MRG entscheidende Änderung erst mit der Übertragung des Geschäftsanteils des ausscheidenden Kommanditisten in der notwendigen Notariatsaktform (§ 76 Abs 2 GmbHG) und durch die anschließende Eintragung dieser Übertragung im Firmenbuch bewirkt wurde.

Die in der Revision betonte, nach den Gesellschaftsverträgen sowohl für die GmbH als auch für die GmbH & Co KG vorgesehene Einstimmigkeit von Gesellschafterbeschlüssen zwingt nicht zu einer gegenteiligen Beurteilung. Laut § 4 Abs 1 des die GmbH & Co KG betreffenden Gesellschaftsvertrags obliegt - gesetzeskonform - die Geschäftsführung und Vertretung bei der GmbH & Co KG der Komplementärin, die wieder durch einen geeigneten Geschäftsführer vertreten wird. Richtig ist, dass der die GmbH betreffende Gesellschaftsvertrag in seinem § 5 Abs 2 Stimmeneinhelligkeit vorsieht. Nach § 5 Abs 4 richtet sich das Stimmrecht aber nach der Höhe der geleisteten Einlagen. Beschlüsse können nach § 5 Abs 5 des Gesellschaftsvertrags gefasst werden, wenn bei einer Generalversammlung wenigstens mehr als die Hälfte des eingezahlten Stammkapitals vertreten ist. Seit der Abtretung des Geschäftsanteils durch den ausscheidenden Kommanditisten und Gesellschafter der GmbH repräsentiert einer der beiden verbleibenden Gesellschafter mehr als die Hälfte des einbezahlten Stammkapitals, was nach den diese Gesellschaftskonstruktion betreffenden vertraglichen Regelungen eine wesentliche Änderung der Einflussmöglichkeit bedeutet.

Die Revision meint weiters, die Anzeigepflicht nach § 12a Abs 1 Satz 2 MRG sei durch die Bekanntgabe der Kündigung der Gesellschaft durch einen der Kommanditisten erfüllt worden. Damit übersieht sie, dass sich die Anzeige grundsätzlich auf den anspruchsrelevanten Tatbestand beziehen muss, um die Rechtsfolge der sechsmonatigen Präklusivfrist (§ 12a Abs 2 Satz 1 MRG) auszulösen. Wie bereits oben ausgeführt, ist der anhebungsrelevante Tatbestand aber erst mit der Abtretung und dem Kippen der Mehrheitsverhältnisse in der Komplementär-GmbH eingetreten. Nur bei einer völlig sicheren zukünftigen Änderung der Einflussmöglichkeit lässt die Judikatur eine "Vorausanzeige" genügen und verzichtet auf eine weitere Anzeige. Den Revisionswerbern ist zwar einzuräumen, dass nach dem festgestellten Sachverhalt die Beklagten bei einem Treffen mit dem Prokuristen der Klägerin und deren Sachbearbeiter anerkannt haben, dass (aufgrund des Ausscheidens eines Kommanditisten) ein Anhebungstatbestand gem § 12a Abs 3 MRG vorliege und die Klägerin daraus jahrelang keine Konsequenzen gezogen hat. Lag aber zu diesem Zeitpunkt gar kein anhebungsrelevanter Tatbestand iSd § 12a Abs 3 MRG vor, könnte ein (gemeinsamer) Irrtum der Parteien des Mietvertrags auch nicht das Recht der Vermieterin auf Anhebung des Hauptmietzinses auslösen.

Die einzelfallbezogene Frage, ob die Untätigkeit der Vermieterin einen konkludenten Verzicht auf die Anzeigepflicht bedeutete, hat das Berufungsgericht in einer vertretbaren Weise gelöst. Grundsätzlich ist bei der Prüfung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn gelegen sind. Auch wenn - irrtümlich - die Beteiligten der Meinung gewesen sein sollten, der Anhebungstatbestand sei bereits durch die Kündigung verwirklicht, muss eine weitere Untätigkeit der Vermieterin entgegen der Auffassung der Revision nicht zwingend einen konkludenten Verzicht auf jene Anzeigepflicht bedeuten, die letztlich erst durch den tatsächlich relevanten, der Vermieterin nicht mehr bekannt gegebenen Machtwechsel ausgelöst wurde. Diese Auffassung würde nämlich eindeutig die Möglichkeit des Vermieters, endgültig zu entscheiden, welcher Vorgang in einer Gesellschaft eine Anhebung des Hauptmietzinses rechtfertigt, beeinträchtigen.

Dass eine Verletzung der Anzeigepflicht des § 12a Abs 3 MRG Schadenersatzansprüche der Vermieterin gegenüber der Erstbeklagten und Mieterin begründet, bezweifelt die Revision gar nicht. Es handelt sich bei der Anzeigepflicht um eine - gesetzlich als Schutzgesetz zugunsten des Vermieters normierte - aus dem bestehenden Bestandvertrag abgeleitete Nebenpflicht des Mieters, dem Vermieter anhebungsrelevante Tatbestände mitzuteilen. Verletzt der Mieter diese Pflicht, hat er nach § 1298 ABGB nachzuweisen, dass ihn daran kein Verschulden trifft. Dem Berufungsgericht kann keine auffällige Fehlbeurteilung vorgeworfen werden, konnten sich doch die Beklagten keinesfalls sicher sein, dass die Kündigung der Gesellschaft zwingend ein Kippen der Mehrheitsverhältnisse in der Komplementär-GmbH zur Folge hatte. Ab welchem Zeitpunkt ein Machtwechsel eintritt, kann in der Regel von der Mietergesellschaft besser beurteilt werden als vom Vermieter, dem die vertragliche Gestaltung der Gesellschaft nicht zwingend bekannt sein muss.

Der hier zu beurteilende Schaden besteht darin, dass die Vermieterin an der rechtzeitigen Geltendmachung des erhöhten Mietzinses verhindert war und jene Mietzinse, die früher als drei Jahre vor Einbringung der Klage aufgelaufen sind, verjährt sind. Die Klägerin hat bereits in der Klage ausdrücklich auf die Verletzung der Anzeigepflicht sowie die deshalb entgangene Möglichkeit zur Hauptmietzinsanhebung auf einen konkreten Betrag pro m² verwiesen und das Klagebegehren auch auf Schadenersatz gestützt.