16.09.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: UWG und (pauschale) Herabsetzung von Mitbewerbern

Die pauschale Herabsetzung von Mitbewerbern ist im Regelfall als unlautere Geschäftspraktik iSd Generalklausel des § 1 UWG zu werten; entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, unlautere Geschäftspraktik, (pauschale) Herabsetzung von Mitbewerbern, Tatsachenbehauptung, Werturteil
Gesetze:

§ 1 UWG, § 7 UWG, § 1330 Abs 2 ABGB

GZ 4 Ob 39/10d, 13.07.2010

OGH: Die pauschale Herabsetzung von Mitbewerbern ist im Regelfall als unlautere Geschäftspraktik iSd Generalklausel des § 1 UWG zu werten. Auch wenn Pauschalherabsetzungen keine überprüfbaren Tatsachenbehauptungen enthalten und daher nicht unter § 7 UWG fallen, können sie bei den angesprochenen Kreisen eine irrige - wenngleich meist diffuse - Vorstellung über die generelle mindere Qualität der Leistungen der herabgesetzten Unternehmen hervorrufen. Das kann, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, durchaus zu einer wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens von Verbrauchern führen (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG). Weiters wird diese Geschäftspraktik gerade aus diesem Grund geeignet sein, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG). Dass die pauschale - dh nicht durch überprüfbare Tatsachen belegte - Herabsetzung von Mitbewerbern den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG entsprechen könnte, ist kaum vorstellbar.

Gem § 7 Abs 1 UWG verboten ist, zu Zwecken des Wettbewerbs über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Unternehmens, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen zu behaupten oder verbreiten, die geeignet sind, dem Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind.

Bei der Beurteilung der Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder ein Werturteil vorliegt, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck an, den die beanstandeten Äußerungen hinterlassen; dabei ist auf das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers, nicht aber auf den subjektiven Willen des Erklärenden abzustellen.

Die Abgrenzung zwischen einer Tatsache iSd § 7 UWG und des § 1330 Abs 2 ABGB gegenüber einem reinen Werturteil ist mitunter schwierig. Nach der Rsp, die von der Lehre im Wesentlichen gebilligt wird, sind Tatsachen - unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung - Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm anhand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt. Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilungen ("konkludente Tatsachenbehauptung"). Entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist.

Dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK, Art 13 StGG), also dem Recht auf zulässige Kritik und ein wertendes Urteil im geistigen Meinungsstreit aufgrund konkreter Tatsachen, kommt in der Interessenabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung nur solange ein höherer Stellenwert zu, als die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden und kein massiver Wertungsexzess vorliegt.