28.10.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob das von § 228 ZPO geforderte rechtliche Interesse an einer negativen Feststellungsklage besteht, wenn sich der Kläger zu deren Begründung auf die Nichtigkeit eines Schutzzertifikats / Patents beruft

Das rechtliche Interesse für eine Klage auf Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen nach den §§ 147 ff PatG fehlt, wenn sich der Kläger allein auf die Nichtigkeit des diesen Ansprüchen zugrunde liegenden Patents oder Schutzzertifikats stützt; in diesem Fall ist der beim Patentamt zu stellende Antrag auf Nichtigerklärung des Schutzrechts der einfachere Weg, um das mit der Klage verfolgte Ziel zu erreichen


Schlagworte: Patentrecht, Patentverletzung, negative Feststellungsklage, Nichtigkeit
Gesetze:

§ 228 ZPO, §§ 147 ff PatG

GZ 17 Ob 6/10x, 31.08.2010

OGH: Das rechtliche Interesse für eine negative Feststellungsklage liegt im Regelfall vor, wenn der Beklagte das Bestehen eines Rechts behauptet und dadurch die Rechtsstellung des Klägers gefährdet ("Berühmung" eines Rechts). Das gilt insbesondere für die Behauptung eines lauterkeits- oder immaterialgüterrechtlichen Unterlassungsanspruchs.

Die begehrte Feststellung muss allerdings das zur Beseitigung der Gefährdung geeignete Mittel sein. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage fehlt das rechtliche Interesse auch dann, wenn dem Kläger ein einfacherer Weg zur Verfügung steht, um sein Ziel zu erreichen. Gibt es auch andere Rechtsschutzformen oder Abhilfemöglichkeiten, so besteht das rechtliche Interesse nur dann, wenn dadurch ein größerer Prozessaufwand vermieden oder eine weitergehende Streitbereinigung ermöglicht wird. Dieser Grundsatz äußert sich zwar va im Vorrang der Leistungs- vor der Feststellungsklage, es besteht jedoch kein Anlass, ihn auf diese Fallgestaltung zu beschränken.

Im vorliegenden Fall steht der Klägerin neben der Feststellungsklage auch der Nichtigkeitsantrag beim Patentamt oder die Nebenintervention im dort bereits anhängigen Nichtigkeitsverfahren zur Verfügung. Ist sie damit erfolgreich, entfällt die Grundlage für einen Unterlassungsanspruch der Beklagten. Die Klägerin kann daher das Rechtsschutzziel der Feststellungsklage auch auf anderem Weg erreichen. Dieser Weg ist jedenfalls mit geringerem Aufwand verbunden als der von ihr gewählte.

Nach § 7 SchZG sind auf Verfahren, die Schutzzertifikate betreffen, ergänzend ua die §§ 112 bis 165 PatG anzuwenden. Zu diesen Bestimmungen gehört insbesondere § 156 Abs 3 PatG. Hängt daher im Verletzungsstreit ein Urteil davon ab, ob ein Patent (Schutzzertifikat) nichtig ist, und hält das Gericht die Nichtigkeit für wahrscheinlich, so hat es das Verfahren zu unterbrechen. Dem Beklagten obliegt es in weiterer Folge, die Nichtigkeit beim Patentamt geltend zu machen. Unterlässt er dies, ist ohne Rücksicht auf den Nichtigkeitseinwand zu entscheiden.

Diese Regelung erfasst zwar nach ihrem Wortlaut nur "Verletzungsklagen", also das aktive Vorgehen des Rechtsinhabers gegen Eingriffe in sein Recht. Ihr Zweck liegt aber, wie der Senat in anderem Zusammenhang ausgeführt hat, darin, die Zuständigkeit des Patentamts für die (endgültige) Beurteilung der Rechtsbeständigkeit des Patents (Schutzzertifikats) abzusichern. Daher liegt es nahe, § 156 Abs 3 PatG auch in anderen Verfahren anzuwenden, in denen die Nichtigkeit als Vorfrage zu beurteilen ist.

Ein solcher Fall liegt hier vor: Hätte die Klägerin ein eigenes Erzeugnis auf den Markt gebracht und gegen die Verletzungsklage der Beklagten einen Nichtigkeitseinwand erhoben, so hätte sie damit wegen § 156 Abs 3 PatG nur nach einer die Nichtigkeit aussprechenden Entscheidung des Patentamts Erfolg haben können. Dieses Verfahren wäre daher zu unterbrechen.

Daraus folgt zwingend, dass schon das Verfahren über die negative Feststellungsklage zu unterbrechen wäre, wenn ihre Berechtigung davon abhängt, dass das dem strittigen Untersagungsrecht zugrunde liegende Patent (Schutzzertifikat) nichtig ist. Denn hätte der Gesetzgeber bedacht, dass findige Kläger versuchen könnten, das Verfahren des § 156 Abs 3 PatG dadurch zu vermeiden, dass sie einer Verletzungsklage durch eine negative Feststellungsklage zuvorkommen, hätte er die Unterbrechungspflicht zweifellos auch für diesen Fall angeordnet. Eine analoge Anwendung (zumindest) auf Klagen, mit denen - gestützt auf die Nichtigkeit des Schutzrechts - die Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen nach den §§ 147 ff PatG begehrt wird, ist daher geboten.

Damit fehlt aber jedenfalls das rechtliche Interesse für die Feststellungsklage. Denn der Kläger könnte damit ohnehin nur Erfolg haben, wenn das Patentamt das Schutzzertifikat vor der gerichtlichen Entscheidung für nichtig erklärte. Damit ist der sofortige Antrag beim Patentamt - oder eine Nebenintervention im dort bereits anhängigen Verfahren - jedenfalls der bei weitem einfachere Weg, um das mit der negativen Feststellungsklage verfolgte Rechtsschutzziel zu erreichen. Welchen Nutzen ein (zusätzliches) gerichtliches Verfahren haben sollte, ist nicht erkennbar.