09.12.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: UWG - zur marktschreierischen Superlativwerbung

Es muss sich um eine nicht wörtlich zu nehmende, bloß reklamehafte Übertreibung handeln, die jedermann den sogleich erkennbaren Eindruck vermittelt, es handle sich hier nur um eine ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Gültigkeit auftretende Anpreisung; im Zweifel, ob eine marktschreierische Anpreisung oder eine ernst gemeinte Behauptung vorliegt, ist immer das letztere anzunehmen


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, irreführende Geschäftspraktiken, Werbung mit Spitzenstellung, vergleichende Werbung, Behauptungs- / Beweispflicht, Unterlassung
Gesetze:

§ 2 UWG, § 2a UWG, § 14 UWG, § 226 ZPO

GZ 4 Ob 111/10t, 09.11.2010

OGH: Für die marktschreierische Anpreisung ist wesentlich, dass sie sofort von niemandem wörtlich ernst genommen wird. Es muss sich um eine nicht wörtlich zu nehmende, bloß reklamehafte Übertreibung handeln, die jedermann den sogleich erkennbaren Eindruck vermittelt, es handle sich hier nur um eine ohne Anspruch auf Glaubwürdigkeit und Gültigkeit auftretende Anpreisung; im Zweifel, ob eine marktschreierische Anpreisung oder eine ernst gemeinte Behauptung vorliegt, ist immer das letztere anzunehmen. Auch marktschreierische Anpreisungen lassen sich zumeist auf einen sachlich nachprüfbaren Tatsachenkern zurückführen, der von Werbeadressaten ernst genommen wird und daher bei Unrichtigkeit zur Irreführung geeignet ist. Kann eine Werbebehauptung den Eindruck einer Spitzenstellung des Werbenden, zumindest aber die Vorstellung überdurchschnittlicher Qualität seiner Waren oder Leistungen erwecken, dann ist für die Annahme einer rein subjektiven, nur die persönliche Meinung des Werbenden zum Ausdruck bringenden Meinungskundgebung kein Raum mehr.

Seit der UWG-Novelle 2007 wird vergleichende Werbung - wie auch Werbung mit einer Spitzenstellung - am Tatbestand des § 2 Abs 1 Z 2 UWG (irreführende Geschäftspraktik in Form einer unrichtigen Angabe über die wesentlichen Merkmale des Produkts) gemessen. Sie ist gem § 2a Abs 1 UWG idgF zulässig, wenn sie nicht gegen § 2 UWG idgF verstößt. Sowohl nach der Rechtslage vor als auch nach der UWG-Novelle 2007 ist beim Irreführungstatbestand zu prüfen, (a) wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht, (b) ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob (c) eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

Mit der Behauptung, ihre Produkte würden Top-Qualität aufweisen, von höchster Qualität sein, immer am neuesten Stand der Technik, optimale Fenstertechnik und optimale Dichtheit aufweisen, den Wärmeverlust durch Spitzentechnologie minimieren und nach den neuesten technischen Forschungsergebnissen entwickelt und gebaut werden, nehmen die Beklagten eine Spitzenstellung in Anspruch. Betrachtet man nämlich die beanstandeten Werbepublikationen im maßgeblichen Gesamtzusammenhang, so stellt die Werbung der Beklagten wegen der Kumulation der Superlative eine Alleinstellungswerbung dar, jedenfalls aber eine solche mit der Zugehörigkeit zu einer Spitzengruppe. Mögen auch einzelne Aussagen iZm "Top-Qualität" oder "Spitzentechnologie" vom Verkehr nicht wörtlich aufgefasst werden, so erwecken sie doch bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Vorstellung, dass die angepriesenen Fenster von überdurchschnittlicher, ja sogar erstklassiger Qualität seien. Derartige Eigenschaften wurden jedoch von den - diesbezüglich beweis- bzw bescheinigungspflichtigen - Beklagten nicht bescheinigt. Danach besteht in keinem der aufgezeigten Angebote eine Überlegenheit ihrer Produkte.

Bedient sich aber ein Unternehmen zu Werbezwecken allgemeiner Superlative, so muss es seiner Konkurrenz tatsächlich nachhaltig überlegen sein.

Wenn die Fenster der Beklagten allgemein (bloß) von guter bzw durchschnittlicher Qualität sind, so bewirkt die gegenständliche Werbung mit der Zugehörigkeit zur "Spitzengruppe" eine gegen § 2 UWG verstoßende Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise.

Bei Unterlassungsansprüchen ist eine gewisse allgemeine Fassung des Begehrens iVm Einzelverboten meist schon deshalb erforderlich, um nicht die Umgehung des erwähnten Verbots allzu leicht zu machen. Die Untersagung der wahrheitswidrigen Bezeichnung als Spitzenprodukte iVm Einzelverboten ist daher nicht zu beanstanden.