16.12.2010 Wirtschaftsrecht

OGH: Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft - Unterlassungsanspruch gegen persönlich haftenden Gesellschafter und Rechtsschutzbedürfnis

Der Unterlassungsanspruch gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter ergibt sich - entgegen der früheren Rsp - nicht aus den Haftungsbestimmungen des Personengesellschaftsrechts (§§ 128 und 161 UGB), sondern aus der regelmäßig bestehenden Möglichkeit des Gesellschafters, das rechtswidrige Verhalten der Gesellschaft zu unterbinden; ist danach der Anspruch auch gegen den Gesellschafter begründet, kann das Bestehen eines gleichlautenden Titels gegen die Gesellschaft nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führen


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, Unterlassungsanspruch, Unternehmerhaftung, persönlich haftender Gesellschafter, Rechtsschutzbedürfnis
Gesetze:

§ 18 UWG, § 14 UWG, § 128 UGB, § 161 UGB

GZ 4 Ob 165/10h, 05.10.2010

Die Klägerin und die Erstbeklagte sind Medieninhaber von zwei österreichischen Boulevardzeitungen. Die Zweitbeklagte ist nach dem außer Streit gestellten Vorbringen der Klägerin "die Komplementärgesellschaft" der Erstbeklagten; ihre Haftung soll sich nach dem Vorbringen der Klägerin aus "§ 171 UGB" ergeben.

Das Erstgericht verneinte das Vorliegen einer irreführenden Geschäftspraktik und wies den Sicherungsantrag aus diesem Grund ab.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, begründete dies jedoch mit fehlendem Rechtsschutzbedürfnis. Die Konzernmutter der Klägerin verfüge bereits über einen entsprechenden Exekutionstitel gegen die Erstbeklagte, sodass die Durchsetzung der Unterlassungspflicht insofern gewährleistet sei. Die Zweitbeklagte sei von der Klägerin einzig aufgrund ihrer Haftung "nach § 171 UGB" in Anspruch genommen worden. Setzte die Konzernmutter der Klägerin ihren Titel gegen die Erstbeklagte durch, so unterbliebe das beanstandete Verhalten unabhängig davon, ob auch gegen die Zweitbeklagte ein Titel geschaffen würde oder nicht. Daher bestehe kein Bedarf an einem solchen Titel. OGH: Der Unterlassungsanspruch gegen einen persönlich haftenden Gesellschafter ergibt sich - entgegen der früheren Rsp - nicht aus den Haftungsbestimmungen des Personengesellschaftsrechts (§§ 128 und 161 UGB), sondern aus der regelmäßig bestehenden Möglichkeit des Gesellschafters, das rechtswidrige Verhalten der Gesellschaft zu unterbinden. Ist danach der Anspruch auch gegen den Gesellschafter begründet, kann das Bestehen eines gleichlautenden Titels gegen die Gesellschaft nicht zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses führen. Die Argumentation des Rekursgerichts führte nämlich, konsequent weitergedacht, zum Ergebnis, dass lauterkeits- oder immaterialgüterrechtliche Titel regelmäßig nur gegen den Inhaber jenes Unternehmens geschaffen werden dürften, in dessen Betrieb das beanstandete Verhalten gesetzt wurde. Denn schon ein solcher Titel müsste, folgt man dem Rekursgericht, ausreichen, um die Wiederholung des Verhaltens zu verhindern. Das Regelungskonzept des UWG ist aber anders: Die Haftung des Unternehmensinhabers tritt neben jene des (unmittelbaren) Täters (§ 18 UWG); die Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses liefe dieser Entscheidung des Gesetzgebers zuwider. Gleiches muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch für andere Beteiligte gelten, die an einem unlauteren Verhalten mitgewirkt oder es nicht verhindert haben. Besteht ihnen gegenüber ein Unterlassungsanspruch, so kann das Rechtsschutzbedürfnis nicht allein deswegen verneint werden, weil ohnehin gegenüber dem unmittelbaren Täter oder dem Unternehmensinhaber ein Verbot besteht oder angestrebt wird. Die Vollstreckung dieses Verbots kann sich aus verschiedenen Gründen - etwa Vermögenslosigkeit oder Unzustellbarkeit - als schwierig erweisen; daher hat der Mitbewerber jedenfalls ein rechtlich geschütztes Interesse an einem Titel auch gegen andere Beteiligte. Das gilt insbesondere für unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft, die ein unlauteres Verhalten der Gesellschaft trotz bestehender Einflussnahmemöglichkeit nicht verhindert haben.

Demgegenüber hat das Rekursgericht die Rsp zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das Bestehen eines Titels zugunsten einer anderen Person das Rechtsschutzbedürfnis gegenüber dem Titelschuldner wegfallen lässt, richtig dargestellt. Danach ist maßgebend, ob sich der Titel zur Abstellung des gesamten im späteren Verfahren behaupteten Verhaltens eignet. Das ist auch dann der Fall, wenn tatsächliche oder rechtliche Bindungen zwischen zwei Klageberechtigten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen lassen, dass das schutzwürdige Interesse des einen Berechtigten durch den anderen, der schon über einen entsprechenden Unterlassungstitel verfügt, vollwertig gewahrt wird. Ob das zutrifft, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Annahme des Rekursgerichts, dass die Durchsetzung eines Titels der Konzernmutter der Klägerin gegen die Erstbeklagte aufgrund faktischer Bindungen sichergestellt sei, hat der Senat bereits in einem Parallelverfahren gebilligt.