20.01.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob im Fall einer gegen den Geschäftsführer, der formal nicht Gesellschafter der GmbH, sondern nur Alleingesellschafter einer Gesellschafterin ist, gerichteten Klage nach § 16 Abs 2 Satz 2 GmbHG diese Gesellschafterin zusätzlich in das Prozessrechtsverhältnis einbezogen sein muss oder ob sie insoweit von dem sie allein beherrschenden beklagten (Gesellschafter-)Geschäftsführer repräsentiert wird

Beklagter der Zustimmungsklage ist jeder Gesellschafter, der gegen den Antrag auf Abberufung gestimmt hat; der Fremdgeschäftsführer selbst ist nicht Beklagter; ihm ist lediglich vom Gericht der Streit zu verkünden


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, Abberufung des Fremdgeschäftsführers, beherrschender Gesellschafter, Klage auf Zustimmung
Gesetze:

§ 16 Abs 2 GmbHG

GZ 6 Ob 212/10k, 17.11.2010

OGH: Ein Geschäftsführer, der nicht Gesellschafter ist (Fremdgeschäftsführer) und für dessen Abberufung sich keine Gesellschaftermehrheit findet, kann aus wichtigem Grund gem § 16 Abs 2 Satz 3 GmbHG durch eine Klage gegen den oder die Gesellschafter, die nicht für die Abberufung gestimmt haben, auf Zustimmung zur Abberufung abberufen werden. Beklagter dieser Zustimmungsklage ist jeder Gesellschafter, der gegen den Antrag auf Abberufung gestimmt hat. Der Fremdgeschäftsführer selbst ist nicht Beklagter; ihm ist lediglich vom Gericht der Streit zu verkünden (§ 16 Abs 2 Satz 4 GmbHG), sodass er vom Verfahren erfährt, dem er als (streitgenössischer) Nebenintervenient beitreten kann. Auf die im Schrifttum vertretene Auffassung, es müssten nicht alle Gesellschafter, die gegen die Abberufung gestimmt haben, in Anspruch genommen werden, sondern nur jene, deren Stimmen für die Abberufung wesentlich sind, muss nicht eingegangen werden, weil die Frage nicht entscheidungswesentlich ist.

Die Abberufung von Fremdgeschäftsführern, die von der Gesellschaftermehrheit gestützt werden und ansonsten nicht abberufen werden könnten, aus wichtigem Grund durch gerichtliche Entscheidung wurde erst durch das IRÄG 1997 im Gesetz geregelt. Zuvor bestimmte § 16 Abs 2 idF der GmbHG-Novelle 1980: "Ein Geschäftsführer, der Gesellschafter ist, kann aus einem wichtigen Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden. Dabei sind die §§ 117, 127 HGB sinngemäß anzuwenden".

Nach hA war diese Bestimmung (wie auch jetzt § 16 Abs 2 Satz 2 GmbHG) auf Fremdgeschäftsführer nicht, auch nicht analog anwendbar. Eine Ausnahme machte die Rsp in dem Fall, dass ein Geschäftsführer zwar mangels Beteiligung an der Gesellschaft "formell" Fremdgeschäftsführer ist, wegen der "tatsächlichen wirtschaftlichen Identität" mit einem Gesellschafter der GmbH aber denselben beherrschenden Einfluss wie der Gesellschafter selbst ausüben kann. Als Gesellschafter-Geschäftsführer sieht diese Rsp daher auch einen Geschäftsführer einer GmbH an, der beherrschender Gesellschafter jener GmbH ist, die ihrerseits Gesellschafterin der erstgenannten GmbH ist, aber auch denjenigen an, der die Geschäftsführerfunktion nur als Strohmann eines beherrschenden Gesellschafters ausübt.

Diese Rsp ist zur Rechtslage vor dem IRÄG 1997 ergangen und vor dem Hintergrund zu sehen, dass diese Rsp eine Abberufung eines Fremdgeschäftsführers gegen den Willen der Gesellschaftermehrheit durch das Gericht für nicht möglich ansah. Da nach der jetzigen Rechtslage Fremdgeschäftsführer aus wichtigen Gründen durch gerichtliche Entscheidung nach § 16 Abs 2 Satz 3 GmbHG abberufen werden können, gibt es unter Rechtschutzaspekten keinen Grund diese Rsp aufrecht zu erhalten. Die Wirkung des der Klage nach § 16 Abs 2 Satz 3 GmbHG stattgebenden und rechtskräftigen Urteils besteht darin, dass die Stimmen des beklagten Gesellschafters iSd Abberufung als abgegeben gelten. Das Urteil greift in den Kompetenzbereich der Generalversammlung ein. Folgerichtig können sachlegitimiert nur Gesellschafter sein, denn diese sind an der Willensbildung der Generalversammlung kraft eigenen Rechts beteiligt. Hinzu kommt, dass es im Einzelfall schwierig sein kann festzustellen, ob ein Geschäftsführer, der Nichtgesellschafter ist, "lediglich Strohmann" eines beherrschenden Gesellschafters ist oder ob zwischen ihn und einem Gesellschafter der GmbH "wirtschaftliche Identität" besteht.

Da der Beklagte nicht Gesellschafter jener GmbH, als deren Geschäftsführer er abberufen werden soll, und somit Fremdgeschäftsführer ist, hätte die Klage gegen die Gesellschafterin "ÖL" erhoben werden müssen, auch wenn der Beklagte deren Alleingesellschafter ist.