20.01.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Zur Frage, ob die nachträgliche Begründung eines statutarischen Aufgriffsrechts der Notariatsaktsform nach § 76 Abs 2 GmbHG bedarf oder ob eine notarielle Beglaubigung iSd § 49 GmbHG dafür ausreichend ist

Bei der nachträglichen Begründung statutarischer Aufgriffsrechte in einer GmbH ist eine notarielle Beurkundung als Formerfordernis ausreichend


Schlagworte: Gesellschaftsrecht, nachträgliche Begründung eines statutarischen Aufgriffsrechts, notarielle Beurkundung, Notariatsaktsform
Gesetze:

§ 76 Abs 2 GmbHG, § 49 GmbHG

GZ 6 Ob 63/10y, 17.12.2010

OGH: Aufgriffsrechte sind eine Form von Übernahmerechten, die die Verpflichtung eines Gesellschafters beinhalten, seinen Geschäftsanteil unter bestimmten Voraussetzungen auf einen Berechtigten zu übertragen. Dadurch soll die Gesellschaft vor dem Eindringen unerwünschter außenstehender Personen geschützt werden.

Obwohl Geschäftsanteile an einer GmbH nach § 76 Abs 1 GmbHG frei vererblich sind, ist es nach der Rsp des OGH zulässig, auch Aufgriffsrechte für den Todesfall eines Gesellschafters im Gesellschaftsvertrag vorzusehen. Dies entspricht dem Zweck, außenstehenden Personen den Erwerb von Anteilen an der GmbH zu verwehren. Ob es möglich ist, zu vereinbaren, dass der Geschäftsanteil des verstorbenen Gesellschafters den übrigen Gesellschaftern ohne Weiteres zuwächst, ist umstritten, nach jüngerer Rsp jedoch unzulässig. Es ist daher notwendig, dass die übrigen Gesellschafter einen Abtretungsvertrag mit den Erben des Verstorbenen abschließen. Sollten sich diese weigern, so können sie durch Klage zum Abschluss einer solchen Vereinbarung verhalten werden. Darauf stützt sich die vorliegende Klage.

Nach Auffassung des erkennenden 6. Senats sprechen die besseren Gründe dafür, bei der nachträglichen Begründung statutarischer Aufgriffsrechte in einer GmbH eine notarielle Beurkundung als Formerfordernis ausreichen zu lassen. Dies ergibt sich einerseits daraus, dass es sich bei Aufgriffsrechten meist um materielle Satzungsbestandteile handeln wird, die nach § 49 GmbHG eines Gesellschafterbeschlusses, der bloß notariell beurkundet werden muss, bedürfen, und va aus dem Normzweck: Wenn man der Formpflicht des § 76 Abs 2 GmbHG die Funktionen Immobilisierung, Übereilungsschutz des Erwerbers und Publizität der Gesellschafterstellung zuerkennt, so wird deutlich, dass bei der Begründung von Aufgriffsrechten keiner dieser Funktionen eine wesentliche Bedeutung zukommen kann. Die Immobilisierung soll den börsenartigen Handel mit den Geschäftsanteilen, also den Erwerb Dritter, verhindern, jedoch nicht den Erwerb durch einen Gesellschafter. Der Funktion des Übereilungsschutzes kann in diesem Zusammenhang ebenfalls keine Bedeutung zukommen; immerhin ist zum Zeitpunkt der Statuierung oftmals nicht klar, wer überhaupt der Erwerber sein wird bzw ob dieser überhaupt schon Gesellschafter ist und zu welchem Zeitpunkt diesem das Aufgriffsrecht zustehen wird.

Auch für die Klarstellung, wer Gesellschafter ist, bedarf es keiner Notariatsaktsform der Begründung des Aufgriffsrechts. Dies ergibt sich aus der stRsp des OGH, wonach Aufgriffsrechte nicht dazu führen können, dass die Geschäftsanteile eines verstorbenen Gesellschafters mit dessen Todesfall eo ipso auf die übrigen Gesellschafter übergehen, sondern dass dafür noch ein Abtretungsvertrag mit den Erben geschlossen werden muss. Dieser Abtretungsvertrag ist als Verpflichtungsgeschäft aber ohnehin notariatsaktspflichtig.

Im vorliegenden Verfahren haben somit die damaligen Gesellschafter der Gesellschaft am 19. 11. 2001 notariell beurkundet das Aufgriffsrecht laut Punkt X. "Kündigung" wirksam beschlossen, weshalb das auf Abschluss eines dem Aufgriffsrecht entsprechenden Abtretungsvertrags in Notariatsaktsform gerichtete Klagebegehren zu Recht besteht. Der Revision der Beklagten ist daher der Erfolg zu versagen.