03.02.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Muss im Fall der völligen Neufassung der Stiftungsurkunde bzw der Satzung einer GmbH im Interesse des Rechtsverkehrs zu dessen Erleichterung der geltende Text aus einem separaten, notariell beurkundeten Schriftstück zu ersehen sein?

Die Vorlage einer separaten Urkunde gem § 39 Abs 3 PSG, § 51 Abs 1 GmbHG, § 148 Abs 1 AktG ist nicht erforderlich, wenn ohnehin mittels Notariatsakts die einzutragende Stiftungsurkunde bzw Satzung der Gesellschaft völlig neu gefasst wurde


Schlagworte: Privatstiftungsrecht, Gesellschaftsrecht, Neufassung der Stiftungsurkunde / Satzung, Notariatsakt, separate Urkunde
Gesetze:

§ 39 Abs 3 PSG, § 51 Abs 1 GmbHG, § 148 Abs 1 AktG

GZ 6 Ob 166/10w, 17.12.2010

OGH: § 39 PSG regelt die Formerfordernisse für die Änderung von Stiftungserklärungen. Diese sind nach Abs 1 durch Notariatsakt zu beurkunden; nach Abs 3 ist der Anmeldung einer Änderung zur Eintragung in das Firmenbuch der vollständige Wortlaut der geänderten Stiftungsurkunde beizufügen, wobei dieser mit der Beurkundung eines Notars versehen sein muss, dass die geänderten Bestimmungen der Stiftungsurkunde mit dem Beschluss über ihre Änderung und die unveränderten Bestimmungen mit dem zuletzt zum Firmenbuch eingereichten vollständigen Wortlaut der Stiftungsurkunde übereinstimmen. § 39 Abs 3 PSG entspricht dabei § 148 Abs 1 Satz 2 AktG und § 51 Abs 1 letzter Satz GmbHG (hingegen fehlt eine derartige Bestimmung im GenG).

Zweck all dieser Bestimmungen ist die Möglichkeit für den Rechtsverkehr, jederzeit beim Firmenbuch ohne fehleranfällige Kompilierungsmaßnahmen den aktuellen Inhalt der Stiftungsurkunde bzw der Satzung feststellen zu können; die Bestimmungen meinen dabei mit dem "vollständigen Wortlaut" jenen Wortlaut, der sich bei Berücksichtigung bisheriger Satzungsänderungen und der neu angemeldeten Satzungsänderung ergibt. Die Richtigkeit der Zusammenfassung des aktuellen Standes ist durch notarielle Beurkundung zu bestätigen.

Im Fall einer völligen Neufassung einer Stiftungsurkunde oder einer Satzung mittels Notariatsakts bringt es keinerlei "Erleichterung" des Rechtsverkehrs, wenn noch einmal eine notariell beurkundete "separate" Urkunde, die denselben Text enthält, bei der Eintragung vorgelegt wird. Aufgrund der Neufassung der Stiftungsurkunde bzw der Satzung bedarf es - sofern wie im vorliegenden Fall die Neufassung dem Zweck des § 39 Abs 3 PSG entspricht - keinerlei Kompilierungsmaßnahmen; vielmehr ist der neueste Stand des Gesellschaftsvertrags für jedermann aus einer einzigen, beim Firmenbuchakt befindlichen Urkunde ersichtlich.

Die Vorlage einer separaten Urkunde gem § 39 Abs 3 PSG, § 51 Abs 1 GmbHG, § 148 Abs 1 AktG ist nicht erforderlich, wenn ohnehin mittels Notariatsakts die einzutragende Stiftungsurkunde bzw Satzung der Gesellschaft völlig neu gefasst wurde.