10.02.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Umsatzbesteuerung nach Durchschnittssätzen bei nicht buchführungspflichtigem Landwirt - zur Ersatzfähigkeit der Umsatzsteuer aus dem Titel des Schadenersatzes im Anwendungsbereich des § 22 UStG

Ein nicht buchführungspflichtiger Landwirt iSd § 22 UStG ist berechtigt, dem Abnehmer im Fall einer umsatzsteuerpflichtigen Lieferung oder sonstigen Leistung Umsatzsteuer gesondert in Rechnung zu stellen; erleidet er einen in entgangenen Betriebseinnahmen bestehenden zivilrechtlichen Schaden, darf er bei Berechnung der Schadenshöhe nach der Differenzrechnung die bei den schadenskausal nicht zustande gekommenen Verkaufsgeschäften verrechenbare Umsatzsteuer berücksichtigen, weil es sich bei einer in Rechnung gestellten und vereinnahmten Umsatzsteuer wirtschaftlich gesehen um eine Ertragsposition handelt; ob dem Ersatzpflichtigen gegenüber dem Ersatzberechtigten, der nach § 22 UStG zum pauschalierten Vorsteuerabzug nach Durchschnittssätzen berechtigt ist, allenfalls ein Rückersatzanspruch nach Art XII Z 3 EGUStG zusteht, bleibt im Schadenersatzverfahren ungeprüft


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Umsatzsteuer, land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, nicht buchführungspflichtig, Umsatzbesteuerung nach Durchschnittssätzen
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 22 UStG

GZ 4 Ob 193/10a, 15.12.2010

Die nicht bestrittene Klageforderung resultiert aus Futtermittellieferungen der Klägerin an den Beklagten. Der Beklagte macht als Gegenforderung einen ihm aus mangelhaften Futtermittellieferungen der Klägerin entstandenen Vermögensschaden geltend. Das gelieferte Futtermittel habe nicht der vereinbarten Dosierung von Vitamin D3 entsprochen; dieser Vitaminmangel habe zu verminderten Betriebseinnahmen (ua infolge verminderten Schlüpferfolgs, vorzeitig notgeschlachteter Hennen, Minderproduktion an Bruteiern, gänzlicher Produktionsausfall in der 64. Lebenswoche) geführt.

OGH: Bei den von der Klägerin aufgezeigten Gegenforderungspositionen handelt es sich um Mangelfolgeschäden in Form von dem Beklagten infolge des mangelhaften Futtermittels entgangenen Betriebseinnahmen: Wäre der Mangel nicht aufgetreten, dann hätte der Beklagte im Ausmaß der geltend gemachten Positionen erhöhte Einnahmen aus dem Verkauf von Bruteiern und Suppenhühnern erzielt.

Der Beklagte ist nicht buchführungspflichtiger Landwirt iSd § 22 UStG. Für die im Rahmen solcher Betriebe mit Unternehmern erzielten Umsätze wird ein eigener Steuersatz festgesetzt. Die entsprechende Steuer kann im Fall einer umsatzsteuerpflichtigen Lieferung oder sonstigen Leistung dem Abnehmer gesondert in Rechnung gestellt werden.

Aus dieser Gesetzeslage folgt, dass der Beklagte bei Berechnung seines in entgangenen Betriebseinnahmen bestehenden zivilrechtlichen Schadens die bei den schadenskausal nicht zustande gekommenen Verkaufsgeschäften verrechenbare Umsatzsteuer berücksichtigen darf, handelt es sich doch bei der in Rechnung gestellten und vereinnahmten Umsatzsteuer wirtschaftlich gesehen um eine Ertragsposition.

Der Schadenersatz umfasst zunächst immer den vollen Betrag inklusive Umsatzsteuer. Das Gericht hat deshalb bei der Entscheidung über den Anspruch auf Ersatz einer Sache oder Leistung die Umsatzsteuer, die aus dem Titel des Schadenersatzes, der Bereicherung, der Verwendung oder des Prozesskostenersatzes begehrt wird, nicht gesondert zu behandeln und auch nicht die abgabenrechtliche Vorfrage zu entscheiden, ob der Ersatzberechtigte die Umsatzsteuer im Weg des Vorsteuerabzugs vergütet erhalten könnte.

Der Ersatzbetrag wird in derartigen Fällen zunächst brutto (also einschließlich der auf die Lieferung oder Leistung entfallenden Umsatzsteuer) zugesprochen. Ob dem Ersatzpflichtigen gegenüber dem Ersatzberechtigten ein Rückersatzanspruch gem Art XII Z 3 EGUStG in Höhe jenes Umsatzsteuerbetrags zusteht, den der Ersatzberechtigte als Vorsteuerabzug geltend machen könnte, könnte nur in einem allenfalls nachfolgenden zweiten Verfahren geklärt werden.