03.03.2011 Wirtschaftsrecht

OGH: Zugaben - richtlinienkonforme Auslegung von § 9a Abs 1 Z 1 UWG

Das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben gegenüber Verbrauchern ist aufgrund richtlinienkonformer Auslegung von § 9a Abs 1 Z 1 UWG nur dann unzulässig, wenn es im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist; die Koppelung des Warenbezugs mit einem Gewinnspiel verstößt als solche nicht gegen das Lauterkeitsrecht


Schlagworte: Wettbewerbsrecht, Zugaben, richtlinienkonforme Auslegung
Gesetze:

§ 9a UWG

GZ 4 Ob 208/10g, 15.02.2011

OGH: Nach der Vorabentscheidung (Urteil vom 9. November 2010, Rs C-540/08) ist das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben eine Geschäftspraktik iSv Art 2 lit d RL-UGP. Das in § 9a Abs 1 Z 1 UWG angeordnete Verbot verstößt daher gegen den abschließenden Charakter der Liste jedenfalls unzulässiger Geschäftspraktiken in Anhang I der RL-UGP, weil es unabhängig von den Umständen des Einzelfalls gilt. Der Umstand, dass das Verbot auch anderen als verbraucherschützenden Zwecken dient, ist unerheblich; insbesondere kann es nicht mit der Aufrechterhaltung der Medienvielfalt gerechtfertigt werden, und zwar auch dann nicht, wenn es sich dabei um das wesentliche Ziel der Bestimmung handelte. Die zum Kaufentschluss des Durchschnittsverbrauchers beitragende Koppelung des Warenbezugs mit einem Gewinnspiel ist nicht jedenfalls eine unlautere Geschäftspraktik iSd RL-UGP.

Auf dieser Grundlage ist § 9a Abs 1 Z 1 UWG richtlinienkonform auszulegen.

Die UWG-Nov 2007 sollte die RL-UGP umsetzen. Im Vorblatt zur Regierungsvorlage heißt es, dass die Neuregelung der "Maximalharmonisierung" der von der Richtlinie erfassten Tatbestände entspreche und daher "in allen Belangen europarechtskonform" sei. Die Novelle sollte daher eine in jeder Hinsicht richtlinienkonforme Regelung für "Geschäftspraktiken" iSd Art 2 lit d RL-UGP schaffen. Dabei nahm der Gesetzgeber allerdings an, dass die Richtlinie Maßnahmen der "Verkaufsförderung" und damit Zugaben iSv § 9a Abs 1 Z 1 UWG nicht erfasse. Der EuGH hat nun allerdings klargestellt, dass weder eine solche Ausnahme besteht und noch andere Erwägungen ein unabhängig vom Einzelfall geltendes Verbot von Zugaben rechtfertigen können. Hätte der Gesetzgeber diese Rechtslage gekannt, so hätte er schon zur Vermeidung von Staatshaftungsansprüchen auch § 9a Abs 1 Z 1 UWG in die Neuregelung einbezogen: Entweder hätte er diese Norm aufgehoben, oder er hätte sie richtlinienkonform geändert. In diesem Fall hätte er statt der bestehenden Regelung, die durch ein allgemeines Zugabenverbot jede abstrakte Gefährdung (auch) von Verbrauchern verhindern soll, eine Bestimmung schaffen müssen, wonach Zugaben nur dann unzulässig sind, wenn sie im konkreten Fall irreführenden, aggressiven oder sonst unlauteren Charakter haben. Eine solche Regelung hätte nicht gegen die RL-UGP verstoßen.

Dieser richtlinienkonforme Zustand ist nun durch teleologische Reduktion von § 9a Abs 1 Z 1 UWG herzustellen. Das darin enthaltene Zugabenverbot ist nur mehr dann anwendbar, wenn die beanstandete Geschäftspraktik im Einzelfall auch nach § 1 Abs 3 lit a oder b oder nach § 1 Abs 1 UWG (Art 5 Abs 4 lit a oder b oder Art 5 Abs 2 RL-UGP) untersagt werden könnte. Damit verliert § 9a Abs 1 Z 1 UWG zwar seine eigenständige Bedeutung, da sich dasselbe Ergebnis auch unmittelbar auf die Anwendung der allgemeinen Bestimmungen stützen ließe; er wird daher, wie der Senat im Vorlagebeschluss ausgeführt hat, in der Sache "gegenstandslos". In seinem eingeschränkten Umfang - also insofern, als die konkret beanstandete Zugabe auch nach der RL-UGP unzulässig ist - bleibt er jedoch auch im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern (formal) anwendbar. Eine Aufhebung durch den Gesetzgeber würde allerdings im Ergebnis nichts an der schon durch richtlinienkonforme Auslegung ermittelten Rechtslage ändern.