19.02.2008 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Für die Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 2 ASVG muss zumindest einer der Rückforderungstatbestände nach § 107 ASVG vorliegen

Das Vorliegen eines Rückforderungstatbestandes nach § 107 ASVG kann daher vom Versicherten auch bei einer Aufrechnung bestritten werden


Schlagworte: Sozialrecht, Aufrechnung, Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen
Gesetze:

§ 103 ASVG, § 107 ASVG

GZ 10 ObS 104/07b, 06.11.2007

Mit Bescheid vom 23. 11. 2004 hat die beklagte Partei ausgesprochen, dass 1.) das Verfahren über den Anspruch des Klägers auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß den §§ 69 f AVG wieder aufgenommen und der seinerzeitige in Rechtskraft erwachsene Gewährungsbescheid vom 7. 11. 2001 aufgehoben und 2.) die vorzeitige Alterspension gem § 253b ASVG auf Grund der Pflichtversicherung am Stichtag nicht gebühre und der vom 1. 11. 2001 bis 31. 10. 2003 entstandene Überbezug von EUR 46.837,91 rückgefordert werde. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass auf Grund der GSVG - Pflichtversicherung des Klägers ab 1. 11. 2001 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nicht gebühre.

Mit Bescheid vom 19. 1. 2006 sprach die beklagte Partei aus, dass der vom Kläger zur Rückzahlung geschuldete Überbezug ab dem 1. 2. 2006 in monatlichen Raten zu jeweils EUR 713,17 auf den laufenden Pensionsanspruch des Klägers aufgerechnet werde.

OGH: Gem § 103 Abs 1 Z 2 ASVG dürfen die Versicherungsträger auf die von ihnen zu erbringenden Geldleistungen von Versicherungsträgern zu Unrecht erbrachte, vom Anspruchsberechtigten rückzuerstattende Leistungen, soweit das Recht auf Rückforderung nicht verjährt ist, aufrechnen. Die von der beklagten Partei im verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 19. 1. 2006 gem § 103 Abs 1 Z 2 ASVG ausgesprochene Aufrechnung eines vom Kläger zur Rückzahlung geschuldeten Überbezuges setzt somit voraus, dass der Kläger den aufgerechneten Betrag gem § 107 Abs 1 ASVG zurückzuerstatten hat und das Recht auf Rückforderung nach § 107 Abs 2 ASVG nicht verjährt ist.

Es ist zwischen der Frage der Zulässigkeit der Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen (§ 107 ASVG) und der Frage der Zulässigkeit eine Aufrechnung (§ 103 ASVG) zu unterscheiden. Während dem Versicherungsträger in § 107 ASVG unter den dort normierten Voraussetzungen ganz allgemein das Recht eingeräumt ist, mit dem Rückforderungsbescheid eine Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der zu Unrecht erbrachten Leistung zu schaffen, wird dem Versicherungsträger im § 103 Abs 1 Z 2 ASVG nur die Möglichkeit der Aufrechnung dieser Leistungen auf die von ihnen zu erbringenden Geldleistungen eingeräumt. Es muss daher nach dem Gesagten auch für die Aufrechnung nach § 103 Abs 1 Z 2 ASVG zumindest einer der Rückforderungstatbestände nach § 107 ASVG vorliegen; liegt ein solcher nicht vor, ist die Aufrechnung zu unterlassen. Das Vorliegen eines Rückforderungstatbestandes nach § 107 ASVG kann daher vom Versicherten auch bei einer Aufrechnung bestritten werden. In diesem Fall besteht für den Versicherungsträger die Pflicht zur Erlassung eines Bescheides, mit dem das Vorliegen eines solchen Rückforderungstatbestandes bekämpfbar festgestellt wird.