10.04.2008 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Keine Anwendung des § 3 Abs 1 AVRAG bei Veräußerung des gesamten Unternehmens im Konkurs

Wird ein Unternehmen im Konkurs veräußert, tritt der Übernehmer nicht als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in jene Arbeitsverhältnisse ein, die im Zeitpunkt des Überganges bestehen


Schlagworte: Betriebsübergang, Haftung, Konkurs, Interpretation
Gesetze:

§ 1 AVRAG, § 3 Abs 2 AVRAG, § 6 AVRAG, § 1409 ABGB, § 1409a ABGB, Art 4a RL 98/50/EG, RL 2001/23/EG

GZ 9 ObA 106/06p, 19.12.2007

Der Kläger begehrt als pensionierter Geschäftsführer einer GmbH, über welche der Konkurs eröffnet wurde, die Auszahlung eines vertraglich zugesicherten Pensionszuschusses. Im Zuge dieses Konkursverfahrens wurden wesentliche Betriebsteile von der beklagten GmbH erworben. Nach Ansicht des Klägers gründe sich die Haftung der beklagten Partei auf den dadurch erfolgten Betriebsübergang, der von der beklagten Partei bestritten wird. Diese wendet weiters ein, dass die Ausnahmebestimmung des § 3 Abs 2 AVRAG anzuwenden sei, weil das Unternehmen im Zuge eines Konkurses erworben worden sei. Die beiden Vorinstanzen schlossen sich dem Vorbringen der beklagten Partei an und lehnten eine Haftung derselben aufgrund des im Konkursverfahren erfolgten Erwerbes ab.

OGH: Voraussetzung dafür, dass der Erwerber eines Unternehmens für die Verbindlichkeiten des Veräußerers haftet, ist das Vorliegen eines Betriebsüberganges gemäß § 3 Abs 1 AVRAG. Im Abs 2 leg cit wird jedoch eine Ausnahme für den Fall vorgesehen, dass der Erwerb im Zuge einer Insolvenz erfolgt ist. Auch die Betriebsübergangsrichtlinie enthält eine Ausnahmebestimmung für jene Fälle, in denen ein Konkursverfahren eröffnet wurde. Als innerstaatliche Norm ist der § 3 Abs 2 AVRAG daher unter Berücksichtigung der Rechtssprechung des EuGH auch richtlinienkonform auszulegen. Eine solche Interpretation steht jedoch unter der Präsumtion, dass das nationale Recht eine gewisse Bewegungsfreiheit für eine entsprechende Auslegung bietet, da der normative Inhalt der nationalen Regelung nicht generell neu festgelegt werden darf. Wird daher ein Unternehmen im Zuge eines Konkursverfahrens erworben, liegt kein Betriebsübergang vor, der zu den Rechtsfolgen des § 3 Abs 1 AVRAG führt. Damit scheidet aber auch die Anwendung des § 6 AVRAG aus. Eine teleologische Reduktion des § 3 Abs 2 AVRAG auf solche Insolvenzen, die das Unternehmen zerschlagen, entspricht nicht der Absicht des Gesetzgebers und ist daher unzulässig.