24.04.2008 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Auslegung des Abschnitt XII des KVAÜ

Gewinnbeteiligungssysteme fallen nicht unter den Begriff der Prämienarbeit und sind daher nicht unter die Leistungslohnsysteme, die im Abschnitt XII des KVAÜ geregelt sind, zu subsumieren


Schlagworte: Arbeitskräfteüberlassung, Kollektivvertrag, Akkordarbeit, Prämienarbeit, Gewinnbeteiligungssystem, Zusatzleistung, Referenzzuschläge
Gesetze:

§§ 1 ff AÜG, § 10 AÜG, Abschnitt XII des KVAÜ (Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung)

9 ObA 111/07z, 28.11.2007

Der Kläger wurde während seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten einem Dritten als Arbeitskraft überlassen. In diesem Beschäftigungsbetrieb ist es üblich, sämtliche Stammarbeiter bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen am Gewinn zu beteiligen. Diese Gewinnbeteiligung hängt lediglich davon ab, dass ein ausschüttbarer Gewinn vorhanden ist sowie von einer durchzuführenden Mitarbeiterbewertung. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Auszahlung dieser betriebsüblichen Prämie, die von der Beklagten dem Grunde nach bestritten wird. Von den Vorinstanzen wurde das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, dass Gewinnbeteiligungen keine Prämien iSd Abschnittes XIII des KVAÜ seien.

OGH: Der Zweck des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes besteht unter anderem darin, die betroffenen Arbeitnehmer in arbeitsvertraglichen Angelegenheiten zu schützen. Die Bestimmungen des Kollektivvertrages für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung sind demgemäß vorrangig vom Arbeitskräfteüberlasser anzuwenden. Für die Auslegung der normativen Bestimmungen eines Kollektivvertrages gilt dabei, dass diese wie ein Gesetz auszulegen sind, dh entscheidend ist zunächst der Wortsinn. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die Kollektivvertragsparteien eine Regelung schaffen wollten, die vernünftig, zweckentsprechend und praktisch umsetzbar ist, soziale und wirtschaftliche Interessen ausgleicht und eine Ungleichbehandlung der Normadressaten hintanhalten soll. Der Abschnitt XII des KVAÜ gilt für Akkordarbeit, akkordähnliche und sonstige Prämienarbeit, die auf Quantität oder Qualität der persönlichen Arbeitsleistung und damit auf das individuelle Arbeitsergebnis abstellen. Im Unterschied zu diesen Leistungslohnsystemen sind Gewinnbeteiligungssysteme auch von Marktfaktoren sowie dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängig. Entscheidend ist, dass Prämien iSd Abschnitt XII des KVAÜ als Ausgleich für einen bestimmten Leistungsdruck gebühren, während bei Gewinnbeteiligungen Zusatzleistungen in Zusammenhang mit dem wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens gesetzt werden. Soweit im Beschäftigungsbetrieb ein höheres Lohnniveau besteht, gebühren vergleichbaren überlassenen Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten prozentuelle Referenzzuschläge, um einen annähernden Ausgleich zu den im Betrieb geltenden Ist-Löhnen zu erreichen.