12.06.2008 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Haftung des Dienstgebers für nachteilige Äußerungen seiner Bediensteten über einen bereits ausgeschiedenen Dienstnehmer

Bei der konkreten Abwägung zwischen den Informationsinteressen des neuen Arbeitgebers, den Interessen des "alten" Arbeitgebers und jenen des Arbeitnehmers wird nicht nur auf die Grundsätze der Interessenabwägung, wie sie im § 1 Abs 1 DSG 2000 zugrundegelegt werden, sondern auch auf die einschlägigen arbeitsrechtlichen Wertungen Bedacht zu nehmen sein


Schlagworte: Schadenersatzrecht, nachteilige Äußerungen über ausgeschiedenen Dienstnehmer, Fürsorgepflicht, Organisationsverschulden
Gesetze:

§§ 1295 ff ABGB, § 1330 ABGB, § 39 AngG, § 1163 ABGB, § 1 DSG 2000

GZ 9 ObA 104/07w, 07.02.2008

OGH: Festzuhalten ist, dass eine detaillierte gesetzliche Regelung zur Frage von informellen Auskunftserteilungen durch Mitarbeiter eines früheren Arbeitgebers über andere Mitarbeiter an potentielle neue Arbeitgeber nicht besteht. Insoweit können nach im Wesentlichen übereinstimmender Ansicht in der Lehre die Bestimmungen über die Ausstellung von Arbeitszeugnissen im § 39 AngG, aber auch jene des § 1163 ABGB nicht unmittelbar herangezogen werden. Bei dem Arbeitgeber zurechenbaren Auskünften wird allerdings von einem Nachwirken der Fürsorgepflicht auszugehen sein.

Insoweit kann also der Schutz über jenen allgemeinen nach § 1330 ABGB, der sich auf die Verbreitung "unrichtiger" Tatsachen bezieht, hinausgehen. Aus verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen, wie etwa zu den Postensuchtagen, der Einschränkung der Zulässigkeit von Konkurrenzklauseln aber auch gerade den Regelungen über das Dienstzeugnis lässt sich insgesamt die Wertung des Gesetzgebers ableiten, dass er das Interesse des Arbeitnehmers an seinem weiteren Fortkommen als schutzwürdig erachtet und Einschränkungen nur in bestimmtem Umfang vornimmt. Dies wird also der Arbeitgeber auch im Rahmen der Nachwirkung der Fürsorgepflicht zu beachten und allenfalls auch entsprechende Vorkehrungen zu treffen haben. Bei der konkreten Abwägung zwischen den Informationsinteressen des neuen Arbeitgebers, den Interessen des "alten" Arbeitgebers und jenen des Arbeitnehmers wird nicht nur auf die Grundsätze der Interessenabwägung, wie sie im § 1 Abs 1 DSG 2000 zugrundegelegt werden, sondern auch auf die einschlägigen arbeitsrechtlichen Wertungen Bedacht zu nehmen sein. Während etwa sachliche Auskünfte hinsichtlich konkreter für den neuen Arbeitgeber erforderlichen Fähigkeiten - hier der Englischkenntnisse - gerade bei wirtschaftlich im Rahmen eines Konzerns verbundenen Arbeitgebern innerhalb eines gewissen Rahmens wohl als unbedenklich einzustufen sind, sind Auskünfte über die "Klagsfreudigkeit" des Arbeitnehmers unter Zugrundelegung der Wertung des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG wohl meist als unzulässig anzusehen. Legt diese Bestimmung doch fest, dass eine Kündigung wegen eines verpönten Motivs dann angefochten werden kann, wenn die Kündigung wegen der offenbar nicht unberechtigten Geltendmachung vom Arbeitgeber in Frage gestellter Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfolgte.

Die dem Arbeitgeber zur Last fallende Zurechnung des Verhaltens der einzelnen Mitarbeiter (Vorgesetzter oder Arbeitskollegen) ist unterschiedlich zu sehen. Es ist davon auszugehen, dass der Arbeitgeber jedenfalls für seine "Repräsentanten" einzustehen hat. Die Bezeichnung der Mitarbeiterin der Beklagten als Regionalleiterin könnte ein Hinweis auf eine derartige Repräsentantenstellung sein.

Darüber hinaus wäre grundsätzlich auch ein "Organisationsverschulden" der Beklagten denkbar. Derartige "informelle" Auskünfte von ehemaligen Arbeitskollegen und Vorgesetzten werden regelmäßig nicht im Rahmen einer Rechtsbeziehung, sondern wegen eines Informationsbedürfnisses und einer entsprechenden Informationsfreudigkeit der Angesprochenen gegeben und stellen deren persönliche Meinung dar. Die Verantwortung des Arbeitgebers in diesem Zusammenhang betrifft die Nebenpflicht einer entsprechenden "Organisation" des Betriebes. Diese läuft darauf hinaus, dass die Interessen - auch des ausgeschiedenen Arbeitnehmers - durch die verbreiteten Informationen nicht unzumutbar beeinträchtigt werden. Insoweit treffen den Arbeitgeber Anleitungs- und zumutbare Überwachungspflichten gegenüber den anderen Mitarbeitern, die ihre Grenze allerdings auch wieder in der Meinungsäußerungsfreiheit dieser Mitarbeiter zu finden haben. Ihnen dürfen nur ihrer Stellung im Betrieb entsprechende Verschwiegenheitspflichten überbunden werden. Macht etwa ein für den Personalbereich verantwortlicher Vorgesetzter oder ein Mitarbeiter, bei dem Indiskretionen bereits bekannt sind, unzulässige Äußerungen über einen früheren Arbeitnehmer, so wird es am Arbeitgeber liegen, nachzuweisen, dass in seinem Betrieb entsprechend klargestellt ist, dass über frühere Mitarbeiter derartige Äußerungen nicht gemacht werden dürfen. Im Wesentlichen werden die Vorgaben für die vom Arbeitgeber zu verantwortende Gestaltung des Betriebes bei derartigen informellen Anfragen an Mitarbeiter ähnlich zu beurteilen sein, wie etwa bei den Fragen der Belästigungen iZm dem Gleichbehandlungsgesetz.