19.06.2008 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Qualifizierung von Sonderzahlungen bei Konkurseröffnung über Vermögen des Arbeitsgebers

Die auf den Zeitraum nach Konkurseröffnung bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses entfallenden und "verdienten" Sonderzahlungsanteile stellen - im Unterschied zu jenen Teilen der Sonderzahlungen, auf die zwar ein arbeitsvertraglicher Anspruch besteht, die aber mangels aufrechten Bestands eines Dienstverhältnisses nicht mehr "verdient" werden können - eine Masseforderung iSd § 46 Abs 1 Z 3 KO dar


Schlagworte: Insolvenzrecht, Arbeitgeber, Sonderzahlungen, Konkursforderung, Masseforderung
Gesetze:

§ 46 KO, § 25 KO, § 10 UrlG

GZ 8 ObA 11/08p, 28.02.2008 Nach Konkurseröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers erklärten die Dienstnehmer ihren vorzeitigen Austritt. Von dem für das laufende Jahr gebührenden Urlaubszuschuss meldeten die Dienstnehmer den auf den Zeitraum vor Konkurseröffnung entfallenden aliquoten Teil jeweils als Konkursforderung an. Der anteilig für den Zeitraum zwischen Konkurseröffnung und Austritt gebührende Teil des Urlaubszuschusses wurde vom Beklagten als laufendes Entgelt aus der Masse bezahlt. Den restlichen - aliquot auf den Zeitraum zwischen Austritt und Jahresende entfallenden - Teil des Urlaubszuschusses meldeten die Dienstnehmer wiederum als Konkursforderung an.

OGH: Gemäß § 46 Abs 1 Z 3 KO sind Masseforderungen Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt (einschließlich Sonderzahlungen) für die Zeit nach Konkurseröffnung. Beendigungsansprüche stellen nach Z 3a leg cit Masseforderungen dar, wenn das Beschäftigungsverhältnis vor Konkurseröffnung eingegangen worden ist und danach, jedoch nicht nach § 25, durch den Masseverwalter oder - wenn die Beendigung auf eine Rechtshandlung oder ein sonstiges Verhalten des Masseverwalters, insbesondere die Nichtzahlung des Entgelts, zurückzuführen ist - durch den Arbeitnehmer (die arbeitnehmerähnliche Person) gelöst wird.

Von § 46 Abs 1 Z 3 KO sollen jene Ansprüche des Dienstnehmers erfasst sein, die für die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft für diesen Zeitraum gebühren. Es soll hier jener Vorteil, der der Masse durch das Zurverfügungstehen des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsvertrags zukommt, auch als Masseforderung abgegolten werden. Es ist nicht einzusehen, warum die Sonderzahlungen eine andere insolvenzrechtliche Behandlung erfahren sollten als das laufende Entgelt. Diese Auffassung ergibt sich auch zwanglos aus § 46 Abs 1 Z 3 KO. Es liegt daher auf der Hand, dass die auf den Zeitraum nach Konkurseröffnung bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses entfallenden und "verdienten" Sonderzahlungsanteile eine Masseforderung iSd § 46 Abs 1 Z 3 KO darstellen.

Diese Erwägungen können aber für jenen Teil der Sonderzahlungen, auf die zwar ein arbeitsvertraglicher Anspruch besteht, die aber mangels aufrechten Bestands eines Dienstverhältnisses nicht mehr "verdient" werden können, nicht gelten. Der Terminus "laufendes Entgelt" setzt schon begrifflich das Bestehen eines aufrechten Dienstverhältnisses voraus. Ähnlich wie der Anspruch auf Urlaubsersatzleistung der unter den Voraussetzungen des § 10 UrlG zusteht, wenn der Arbeitnehmer wegen Beendigung des Dienstverhältnisses während des Urlaubsjahrs seinen Urlaub nicht in natura verbrauchen konnte, ist auch der Anspruch auf vorzeitig fälligen, überproportionalen Urlaubszuschuss, der mangels Bestehens eines aufrechten Dienstverhältnisses schon begrifflich nicht mehr "verdient" werden kann, als Beendigungsanspruch anzusehen. Treten die Arbeitnehmer gemäß § 25 KO vorzeitig aus, wird das Arbeitsverhältnis sofort aufgelöst. Diese sofortige Auflösung löst Ansprüche aus, die zwar betragsmäßig dem laufenden Entgelt bis zum Ende der Kündigungsfrist entsprechen, doch handelt es sich bei dieser "Kündigungsentschädigung" um einen aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden Ersatzanspruch. Dies muss auch für den auf die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses entfallenden "überproportionalen" Teil des Urlaubszuschusses gelten, hinsichtlich dessen sich ein (allfälliger) Anspruch unmittelbar aus dem hier anzuwendenden Kollektivvertrag ergibt. Im Hinblick auf das vom OGH vertretene Anwartschaftsprinzip, wonach der Teil der Sonderzahlungen, der auf die Zeit vor Konkurseröffnung entfällt, als Konkursforderung anzusehen ist, jener Teil, der auf die Zeit nach der Konkurseröffnung (bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses) fällt, als laufendes Entgelt und damit als Masseforderung anzusehen ist, erscheint es nur konsequent, einen auf den Zeitraum nach Beendigung des Dienstverhältnisses entfallenden Anspruch an Urlaubszuschuss als Beendigungsanspruch - und im vorliegenden Fall daher als Konkursforderung - zu qualifizieren.